Gastbeitrag: Sicherheit als kommunalpolitische Herausforderung

Sicherheit als kommunalpolitische Herausforderung - Sicherheit durch Vertrauen
Von Johano Strasser,  (Autor „Gesellschaft in Angst. Zwischen Sicherheitswahn und Freiheit“, 2013)

„Angst ist normal“ und evolutionär sicherlich auch dem Überleben zuträglich. Doch die expandierenden Ängste der Deutschen, zum Beispiel vor einem Super-GAU, den Auswirkungen des Klimawandels, Terror, selbst zu einem Pflegefall zu werden oder auch die Angst dass Politiker überfordert seien, zeuge von einer tiefer liegenden Sorge und Unsicherheit. Da reiche ein simples „Wir schaffen das“ nicht mehr aus, sondern es brauche ein Verständnis bei dem die soziokulturelle Dimension genauso wichtig ist, wie die technische Dimension.

Die Deutschen haben Angst, vielleicht tatsächlich mehr Angst als andere Völker. In den USA, wo die Menschen angeblich angstfreier sind, hat man schon vor Jahren den Begriff der "German Angst geprägt", u. a. weil die Deutschen sich besonders viel Sorgen um die Umwelt machen und nicht gern Soldaten in die Kriege schicken, zu denen der amerikanische Großverbündete sie immer mal wieder drängt.

Zunächst: Angst ist normal. Wer nie Angst empfindet, hat Grund über seine seelische Gesundheit nachzudenken. Angst ist ein tief in unserer genetischen Mitgift verankertes Gefühl, dass die schlichte Tatsache reflektiert, dass wir alle verletzlich und sterblich sind, dass wir niemals totale Kontrolle über uns selbst und über unsere Umweltbedingungen gewinnen und dieses Lebenswissen nie ganz aus unserem Bewusstsein verdrängen können.

Für diese existentielle Dimension des Sicherheitsproblems gibt es keine politische und keine technisch-organisatorische „Lösung“, auch wenn die sogenannten Transhumanisten eben dies behaupten, indem sie vorgeben, den Tod besiegen zu können. Wir müssen mit der condition humaine leben lernen. Was uns dabei vor allem hilft, sind stabile und institutionalisierte Beziehungen zu anderen Menschen, von denen wir wissen, dass sie denselben Gefahren ausgesetzt sind wie wir, auf deren Beistand und deren Mitgefühl wir uns im Notfall verlassen können.  Solidarität – von der gegenseitigen Hilfe im Nachbarschaftsverbund über die verschiedenen Formen organisierter Nächstenliebe bis hin zu verlässlichen sozialen Versicherungssystemen – ist die in diesem Zusammenhang wichtigste Ressource.

Freilich ist diese Ressource in den letzten 20 Jahren beschleunigt erodiert. Das hat viele Gründe. Die wichtigsten liegen meiner Meinung nach in den gesellschaftlichen Veränderungen begründet, die im Zuge des marktradikalen Umbaus eingeleitet wurden. Die rasante Beschleunigung innovativer Prozesse und die damit verbundene schnelle Entwertung erworbenen Wissens, die wachsenden Mobilitätsanforderungen, die Auflösung oder abnehmende Bindekraft vieler lebensleitender Institutionen, die teilweise Demontage des Sozialstaats, die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses, der Laufbahnordnungen und der gewohnten Karrieremuster, die gestiegenen Leistungsanforderungen im Beruf und die wachsende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen – das alles unterhöhlt den Zusammenhalt der Gesellschaft, setzt viele vereinzelte Menschen unter Dauerstress, verschärft die Statuskonkurrenz und stößt eine wachsende Zahl von Verlierern in die Resignation, erzeugt diffuse Ängste und damit eine erhöhte Bereitschaft, reale, aber bewältigbare Gefährdungen als tödliche Bedrohungen wahrzunehmen und angesichts akuter Bedrohungslagen in Panik zu geraten.

Wir haben in allen modernen Gesellschaften heute einen relativ hohen Angstpegel, einen signifikanten Anstieg von Angsterkrankungen und Depressionen und eine verbreitete Neigung zu Panikreaktionen. Und das trotz des ständig wachsenden technisch-organisatorischen Sicherheitsaufwands. Die entscheidende Ursache dafür ist meiner Meinung nach: die Individualisierung von Verantwortung bei gleichzeitigem Kontrollverlust. Die beiden dominierenden Sicherheitsstrategien, mit denen die Menschen sich bisher mehr oder weniger erfolgreich gegen Gefahren zu wappnen wussten, die Ausgrenzung von Gefahren (z. B. durch Stadtbefestigungen und Grenzsicherung) und die Kleinarbeitung und Kollektivierung von Gefahren mitsamt monetärer Entschädigung im Schadensfall im Versicherungswesen gelangen heute angesichts der Globalisierung und der schieren Größe technisch bedingter Gefahrenpotentiale (z. B. Erderwärmung, atomarer Gau) an Grenzen ihrer Wirksamkeit. Wenn gleichzeitig reale Gefahren wie Terrorismus und Kriege in der Nachbarschaft Europas oder Probleme wie die der Verteilung und Integration einer wachsenden Zahl von Flüchtlingen dazu kommen, kann dies, wie wir sehen, zu erheblichen Turbulenzen im politischen Raum führen.

Nach dem neuesten Angstindex der R+V-Versicherung stehen unter den Problemen, die den Deutschen Angst machen, an vorderster Stelle:
-    Umweltangst (53 %)
-    Terrorismus (52 %)
-    die Angst, im Alter zum Pflegefall zu werden (49 %)
-    die Flüchtlingsproblematik  (49 %)
-    die Überforderung der Politiker (48 %)
Die Angst, dass die Deutschen in einen Krieg verwickelt werden, die Angst vor ökonomischem Abstieg, insbesondere vor Altersarmut und Arbeitslosigkeit,  wird nicht ganz so oft, aber immer noch häufig genannt (37 – 48 %). Für deutsche Verhältnisse erstaunlich wenige Menschen äußern die Angst, Opfer einer Straftat zu werden. (26 %)

Angesichts der langen Liste von Ängsten, die die Deutschen umtreiben, ist ein bloßes "Wir schaffen das" ohne die Skizzierung einer halbwegs überzeugenden Strategie der Problembewältigung, wie wir erst kürzlich an der Flüchtlingsproblematik gesehen haben, nicht sehr überzeugend. Dass eine so hohe Zahl von Deutschen auf die Frage, was ihnen Angst macht, antwortet: Die Überforderung der Politiker, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass das Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Demokratie verfällt. Dass die Politiker- und/oder Demokratieverdrossenen bei den letzten Landtagswahlen in so großer Zahl die AfD wählten, ist vermutlich mehr als ein bloßer Denkzettel.

Wer die beträchtlichen Schwankungen bei einzelnen Messwerten des Angstpegels in den letzten zwanzig Jahren betrachtet, kann kaum daran zweifeln, dass überzeugendes politisches und technisch-organisatorisches Handeln in einzelnen Problemfeldern tatsächlich auch die diesbezüglichen Ängste erheblich mindern kann. Wenn die Bundesregierung entschlossen den Städten und Gemeinden bei der Bewältigung der Flüchtlingsintegration hilft, wenn sie dafür die erforderlichen finanziellen Mittel bereitstellt, ein großzügiges soziales Wohnungsbauprogramm auflegt und so schnell wie möglich die finanziellen und personellen Voraussetzung für die notwendigen erhöhten Bildungsanstrengungen schafft, wenn die erfreulichen Ansätze zur beruflichen Integration von Flüchtlingen verstärkt fortgesetzt werden, wenn in den besonders belasteten Bereichen des öffentlichen Dienstes die personellen Kapazitäten zügig angepasst werden und wenn es gelingt, die Fluchtursachen in den Ländern des Nahen Ostens und in Afrika wirksam zu bekämpfen - dann wird sich mit der Zeit vermutlich herausstellen, dass die immer noch erfreulich hohe deutsche Willkommenskultur sich allmählich in ein für alle Seiten weitgehend vorteilhaftes und weitgehend friedliches Zusammenleben von Einheimischen und Flüchtlingen umwandeln lässt. Allerdings: Die Zahl der Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit sich der Erfolg einstellt, ist groß!

Die Probleme, die die Deutschen heute ängstigen, sind meist nicht unüberwindbar, aber sie lassen sich in der Regel nicht von heute auf morgen aus der Welt schaffen. Und sie lassen sich sicher nicht alle und vollständig auf der kommunalen Ebene lösen. Das gilt ganz besonders für die Umweltproblematik und die zahlreichen gesellschaftsstrukturellen Probleme, die mit der marktradikalen Wende und der neoliberal geprägten Globalisierung zusammenhängen.

Was die Umweltproblematik angeht, so wissen wir – können es jedenfalls wissen -, dass sie nicht gelöst, nicht einmal in Grenzen gehalten werden kann, wenn wir nicht unsere Wirtschaftsweise und unseren Lebensstil  ändern. Wissenschaftlich-technisch-ökonomischer Fortschritt wird sich in Zukunft an folgenden übergeordneten Zielen zu orientieren haben:

-     alle Energiedienstleistungen mit regenerierbaren Primärenergien, d.h. letztlich mit Sonnenenergie, zu bewerkstelligen;
-     alle verwendeten Stoffe im Sinne einer emissionsfreien   Kreislaufwirtschaft der Wiederverwertung im Techniksystem oder als Nährstoff dem Biosystem zuzuführen;
-     die Energie- und Stoffeffizienz so weit wie möglich zu erhöhen;
-     Schäden nach Möglichkeit vorbeugend zu vermeiden, statt sie nachträglich zu kompensieren;
-       die Rationalisierungsgewinne nicht mehr vorrangig zur ständig beschleunigten Produktinnovation, sondern vor allem zur Schaffung von mehr frei verfügbarer Zeit für alle zu verwenden;
-    die Versorgungs- und die Verwaltungsstrukturen, wo immer es sich anbietet, funktional zu dezentralisieren, um so die Resilienz der Gesellschaft und die Selbsthilfefähigkeit der Bürger zu stärken.

Bei der Bewältigung eines an diesen Zielen ausgerichteten Zukunftsprogramms werden alle Ebenen staatlicher Politik von der Bundesebene bis hinunter zu den Gemeinden, auch die Gewerkschaften und die Unternehmerverbände, nicht zu vergessen  kirchliche und andere zivilgesellschaftliche Initiativen, zusammenwirken müssen. Und natürlich wäre es sinnvoll, wenn auf der Ebene der EU endlich ein solches Programm angepackt würde.  Aber wir sollten nicht warten, bis die Brüsseler Kommission, der Europäische Rat und die EZB zu dieser Einsicht gelangen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass das Land und die Gemeinden, die in diesem Punkte den Vorreiter machen, sich auf Dauer einen erheblichen Vorteil verschaffen. Schon jetzt zeigt sich, dass die Bundesrepublik, einen erheblichen Entwicklungsvorsprung gewinnt, wenn sie den Ausstieg aus der Atomenergie und die Wende zur solaren Energieversorgung entschlossen fortsetzt. Für die Entängstigung der Gesellschaft ist in diesem Zusammenhang aber am wichtigsten, dass ein gut durchdachtes und mutiges Zukunftsprogramm die Zukunft von einer Sphäre allfälliger Bedrohung zum Teil wieder in eine Sphäre der Verheißung verwandeln kann.

Kein Zweifel, im Zeitalter der Globalisierung ist lokale, regionale, ja, auch nationale Autarkie nicht mehr denkbar. Eine erfolgreiche Kommunalpolitik ist nur möglich, wenn auf den übergeordneten Ebenen bis hinauf zur EU und darüber hinaus ermöglichende Rahmenbedingungen geschaffen und erhalten werden. Dies bedeutet aber nicht, dass wir bei allem und jedem das Heil in der Zentralisierung suchen sollten. Hoch zentralisierte Strukturen sind wegen der großen Menge zu verarbeitender Informationen besonders fehleranfällig, sie neigen dazu, von Ort zu Ort, von Gruppe zu Gruppe differierende Bedürfnisse an der Basis zu vernachlässigen oder zu verfehlen, sie haben erhöhte Transportkosten und Transportverluste zur Folge, verursachen, wenn etwas schief geht, wesentlich größere Schäden als dezentrale Strukturen und erfordern entsprechend einen extrem hohen Sicherheitsaufwand.

Aus allen diesen Gründen ist es klug, wo immer dies möglich ist, dezentralen Strukturen den Vorzug vor zentralen zu geben. Dabei können die neuesten digitalen Techniken hilfreich sein. Die Vorteile einer Nahbereichsversorgung mit Ge- und Verbrauchsgütern liegen auf der Hand:

- teure Verpackung und die entsprechende Entsorgungsarbeit auf  Seiten der Konsumenten kann zumeist eingespart werden;
- die kürzeren Transportwege bedeuten weniger Emissionen und weniger Lärmbelästigung durch Lastwagenverkehr;
- die engere und manchmal persönliche Beziehung zwischen Konsumenten und Produzenten ermöglicht eine sorgfältigere Berücksichtigung der jeweiligen Konsumentenbedürfnisse und lässt es von vornherein angeraten erscheinen, den Konsumenten keine unfairen Nachfolgekosten aufzubürden;
- viele die Gesundheit der Verbraucher gefährdende Maßnahmen zur Haltbarmachung von Nahrungsmitteln können entfallen.

Aufgabe einer vorausblickenden Kommunalpolitik wäre es, mit ihren Möglichkeiten eine Entwicklung zur funktionalen Dezentralisierung baupolitisch, infrastrukturell und verwaltungstechnisch zu unterstützen. Freilich, ohne zu einem Krähwinkel-Provinzialismus zurückzukehren! Wer sich in die Wagenburg zurückzieht, wird zumeist erst recht Opfer von Angst- und Verfolgungsphantasien. Andererseits ist der kosmopolitische Individualismus für die allermeisten Menschen zu strapaziös. Kluge Politik sollte also heute, wie Henning Meyer kürzlich zurecht betont hat, eine Synthese von Kosmopolitismus und Kommunitarismus, von Weltoffenheit und Geborgenheit im Nahbereich anstreben.

Ich möchte noch auf einen allzu oft vergessenen und in der politischen Praxis häufig vernachlässigten Aspekt des Sicherheitsproblems zu sprechen kommen. Man kann drei Dimensionen des Sicherheitsproblems unterscheiden: eine existentielle, eine technisch-organisatorische und eine soziokulturelle. Über die zuletzt genannte möchte ich noch ein paar Anmerkungen machen, weil sich gerade in diesem Feld wichtige Handlungsmöglichkeiten für den Kommunalpolitiker ergeben. Ich knüpfe damit an das an, was ich schon mit der verstärkten Orientierung auf eine funktionale Dezentralisierung angedeutet habe.

Unsere moderne Gesellschaft ist unumkehrbar pluralistisch. Eine Rückkehr zu der vermeintlichen Idylle einer sprachlich, kulturell und dem Lebensstil nach homogenen Gesellschaft ist nicht möglich und, recht bedacht, auch keineswegs wünschenswert. Es kommt aber darauf an, aus dem bloßen Nebeneinander verschiedener Kulturen und Lebensstile einen dialogischen Pluralismus zu machen. Dies kann gelingen, wenn in Städten und Gemeinden öffentliche Räume geschaffen und erhalten werden, in denen Menschen verschiedener Lebensstile und Kulturen und verschiedenen Alters sich begegnen und sich austauschen können. Wir können, wenn wir es wollen, mit kluger Kommunalpolitik die Voraussetzungen für eine lebendige und kreative, vertrauensvollen Umgang miteinander erleichternde Lebensumwelt in unseren Städten und Gemeinden schaffen.

Die bisherige Stadt- und Raumplanung hat, sofern von Planung überhaupt eine Rede sein kann, fast überall lebendige Nachbarschaften  zerstört, hat nicht selten kommunikative öffentliche Räume in sozial entleerte Wüsteneien verwandelt, hat allzu oft eine längst sinnlos gewordene rigide Funktionstrennung fortgeschrieben und eine menschenfeindliche Verkehrsinfrastruktur geschaffen. Zugleich hat die politisch erzeugte chronische Finanznot  - zuweilen auch die ideologische Verblendung der Politiker -  Städte und Gemeinden dazu veranlsst, die kulturelle Infrastruktur zu vernachlässigen, Begegnungszentren, Theater und Schwimmbäder zu schließen, viele öffentliche Einrichtungen zu privatisieren und in der Baupolitik weitgehend den Vorstellungen großer Investoren und einer wohlhabenden Minderheit zu entsprechen. Das Ergebnis ist eine Gesellschaft, in der viele Menschen, besonders  im Alter, vereinsamen, viele Kinder und Jugendliche keine adäquaten Möglichkeiten haben, sich spielend auszuprobieren, in der sich in den großen Städten gettoähnliche Strukturen bilden, die Verständigung über alltägliche, kulturelle und politische Probleme durch die Zivilgesellschaft eher behindert als gefördert wird und so jenes Vertrauenspotential und Sozialkapital nicht in ausreichendem Maße entstehen kann, ohne dass ein halbwegs angstfreies Zusammenleben nicht möglich ist.

Das Problem der Politik insgesamt, auch der Kommunalpolitik, ist, dass sie fast ausschließlich auf die – durchaus wichtige – technisch-organisatorische Seite des Sicherheitsproblems fixiert ist. Natürlich, ein funktionierendes Rechtssystem, eine kompetente und personell wie instrumentell gut ausgestattete Polizei, eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur, all das ist wichtig. Es dient vielleicht auch dem Gefühl der Sicherheit, wenn Eigenheimbesitzer auf ihrer Terrasse Bewegungsmelder installieren und Mieter ihre Wohnungstür mit Stahlriegeln und mehreren Schlössern sichern. Vielleicht ist es in Zeiten des Terrorismus tatsächlich notwendig, dass auf Bahnhöfen und auf U-Bahnsteigen rund um die Uhr Sicherheitsdienste patrouillieren, und an öffentlichen Gebäuden und auf öffentlichen Plätzen Videoüberwachung die Regel wird. Aber darüber sollte nicht vergessen werden, dass die soziokulturelle Dimension der Sicherheit ebenso wichtig ist wie die technisch-organisatorische.

Kommunalpolitiker sollten ihre Gemeinde, ihre Stadt nicht als eine große Maschine, sondern als einen sozialen Organismus betrachten. Ein solcher sozialer Organismus funktioniert am besten, wenn eine rigide Trennung einzelner Lebens- und Arbeitsfunktionen vermieden und die Separierung von Alt und Jung, von ethnisch-kulturellen und Lebensstilgruppen verhindert wird. Wer die Entwicklung städtischer Räume weitgehend der Marktdynamik überlässt, muss sich nicht wundern, wenn gated communities für die Reichen und gettoähnliche verwahrloste Quartiere für die Armen entstehen. Wer auf der grünen Wiese Bauland für riesige Supermärkte und Malls ausweist, erzeugt nicht nur zusätzlichen Autoverkehr, sondern trägt auch zur Verödung der Innenstädte bei. Wer durch veraltete Vorschriften die Ansiedlung kleiner Betriebe in Wohngebieten behindert und Handwerksbetriebe und moderne Dienstleister in Gewerbeparks am Stadtrand verbannt, ebenso.

Es gibt mittlerweile in vielen Städten Mehr-Generationen-Häuser, die nicht nur erschwinglichen Wohnraum für alte Menschen und  junge Familien schaffen, sondern auch das Gespräch, den Erfahrungsaustausch und die gegenseitige Hilfe zwischen den Generationen fördern. Es gibt Architekten und Stadtplaner, die die Sanierung vernachlässigter Quartiere zusammen mit den Bewohnern organisieren und nicht die Gentrifizierungskonzepte von Investoren ungeprüft übernehmen. Es gibt im Inland und in den europäischen Nachbarländern eine große Zahl von inspirierenden Beispielen für eine vorausschauende und integrale, d. h. alle drei Dimensionen des Sicherheitsproblems berücksichtigende kommunale Sicherheitspolitik. Ich nehme an, dass Sie alle hier genug Beispiele zu nennen wüssten.

Zugegeben: Die Sicherheitsprobleme unserer freien und pluralistischen Gesellschaft sind nicht im Handstreich zu lösen. Sie sind selbstverständlich auch nicht allein von den Kommunalpolitikern lösbar. Aber der Beitrag der Kommunalpolitik kann beträchtlich, vielleicht sogar entscheidend sein. Die Kommunalpolitik ist für die Bürger immer noch das bei weitem wichtigste Terrain zur Einübung der Demokratie, vor allem, wenn verhindert wird, dass durch Privatisierung und Ökonomisierung öffentlicher Einrichtungen dem Bürger die Gegenstände abhandenkommen, über die er demokratisch, d. h. politisch mitbestimmen kann. Eine Renaissance der Kommunalpolitik könnte helfen, der Demokratieverdrossenheit entgegenzuwirken und die große Zahl der Frustrierten, Abgehängten und Ausgeschlossenen in die Mitte der Gesellschaft zurückzuholen, um so den Feinden der Demokratie und der freien Gesellschaft den Resonanzboden für ihre Propaganda zu entziehen.

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Aqyd

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