Klimaschutzziele nur mit Kommunen erreichbar

 „Der globalen Herausforderung des Klimaschutzes vor Ort begegnen!“ Mit dieser Botschaft begrüßte der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und Bürgermeister der Stadt Bergkamen, Roland Schäfer, die Teilnehmer. In seiner Einführungsrede hob Schäfer hervor, dass Kommunen auch zukünftig gemeinsam mit der örtlichen Wirtschaft und ihren Bürgern die treibende Kraft beim Klimaschutz sein wollen. Er verwies auf das im November 2016 in Kraft getretene Weltklimaabkommen von Paris und die Notwendigkeit, die Erderwärmung durch eine konsequente Reduktion des CO2-Ausstoßes auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Schäfer betonte, dass es zur Erreichung dieses Ziels auch verpflichtender Maßnahmen und Sanktionen bedürfe – freiwillige Absichtserklärungen alleine würden nicht ausreichen.

Der DStGB-Präsident hob hervor, dass Klimaschutz eine kommunale Querschnittsaufgabe sei, die es Städten und Gemeinden ermögliche, oft Vorbild und Vorreiter beim Klimaschutz zu sein. Zu den kommunalen Kernanliegen gehöre sowohl die Energieeinsparung und der planerische Ausbau der erneuerbaren Energien, also von Windenergieanlagen und der Biomasse, als auch eine „Stadt der kurzen Wege“ sowie eine umweltfreundliche Beschaffung. Schäfer verwies ferner auf die notwendige Bekämpfung von Luftschadstoffen wie Feinstaub und Stickstoffdioxid an der Quelle, um auf diesem Wege neben der Verringerung von Gesundheitsgefahren auch eine hohe Lebensqualität für Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen.

In seinem Vortrag zum Thema „Nachhaltigkeitsziele, Klimaschutz und Energiewende“ bekräftige Professor Dr. Günther Bachmann, Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung, die Notwendigkeit langfristiger Ziele. Es sei gut, diese in konkreten Zahlen festzusetzen. Dies schaffe Transparenz und Verantwortung. Dabei müssten Klimaschutz und Nachhaltigkeit im gesamtgesellschaftlichen Kontext gesehen werden, so Bachmann. Die Agenda 2030 ergänze vor diesem Hintergrund den Klimaschutz um Aspekte von Frieden und Gerechtigkeit. Bachmann betonte ebenso, dass beim Klimaschutzplan 2050 in Deutschland die Arbeit noch vor uns liege. Im Klimaschutz, so Bachmann, gelte das Motto „Wir können das!“ Wichtig sei die Bereitschaft aller Akteure, mit einer gewissen Neugier für die Zukunft ihre Komfortzonen zu verlassen. Für Deutschland gelte der Grundsatz, dass deutsche Klimaschutzpolitik auch in Afrika stattfindet. Da Klimaschutz auch eine Frage von Infrastruktur sei, müsse in Deutschland die Tradition gestärkt werden, dass öffentliche Infrastruktur, die allen zugutekommt, auch öffentlich gefördert wird.

Der Oberbürgermeister der Stadt Münster, Markus Lewe, betonte in seinem Vortrag „Klimaschutz und Energieeffizienz am Beispiel der Zukunftsstadt Münster“, dass es beim Klimaschutz auch darum gehe, Werte zu schaffen und zu erhalten. Hierzu dürfe Klimaschutz nicht auf ideologischer Basis betrieben werden, sondern müsse Bestandteil einer Lebensform sein, die alle überzeugt. In Bezug auf die Stadt Münster betonte Lewe, man habe mit insgesamt sieben Grünfingern und drei Grüntangentialen um die Stadt herum besondere Voraussetzungen geschaffen. Dies stelle insbesondere einen Vorteil für den Radverkehr dar. Einen Modal Split beim Radverkehr von 39 Prozent erreiche sonst nur Kopenhagen. Insgesamt betrage der Anteil des Umweltverbundes beim Verkehr über 70 Prozent. Die drei EEE´s beim Klimaschutz sind für Lewe „Energieeinsparung, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien“. Oberbürgermeister Lewe wies darauf hin, dass gerade bei der Altbausanierung große Potenziale vorhanden seien. Weitere Maßnahmen der Stadt Münster seien der seit 1997 auch für Bürogebäude geltende Niedrigenergiestandard sowie ein neues Gas- und Dampfkraftwerk. Dieses sei besonders gut dazu in der Lage, Schwankungen bei den erneuerbaren Energien auszugleichen. Lewe forderte den Gesetzgeber auf, stabile Rahmenbedingungen im Klimaschutz zu schaffen, um eine möglichst sichere Zukunftsplanung zu ermöglichen. Beim Thema Mobilität sieht Lewe die Zukunft nicht beim Pkw-Verkehr, sondern bei einer nachfrageorientierten Mobilität, die sich aus vielen umweltfreundlichen Verkehrsmitteln zusammensetzt.

Sodann fanden drei Foren statt, in denen Praktiker von ihren Projekten vor Ort berichteten:

In Forum 1 „Kommunale Praxisbeispiele bei Klimaschutz und Energieeffizienz“ referierte unter der Moderation von Beigeordnetem Rudolf Graaff, StGB NRW, Bürgermeister Klaus Lütkefedder von der Verbandsgemeinde Wallmerod über das „Aktionsprogramm 2020“ in seiner Gemeinde. Im Zentrum stehen dabei Maßnahmen für ein Mehr an Energieeinsparung und Energieeffizienz. Insbesondere ein Investment in eine Photovoltaik-Anlage habe sich gelohnt. Benjamin Jambor von der Westnetz GmbH berichtete von einer Plattform, die Bürgern den Einstieg als Prosumer erleichtert. Frau Janina Oest von der KfW-Bankengruppe erläuterte den Teilnehmern die verschiedenen Förderprogramme für Maßnahmen zur Gebäudesanierung und zur energetischen Stadtsanierung.

In Forum 2 „Innovation und Vernetzung im Klimaschutz“, das von Referatsleiter Bernd Düsterdiek, DStGB, moderiert wurde, berichteten Thorsten Erny, Bürgermeister der Stadt Gengenbach, und Heiko Rüppel, Enercon GmbH, von einem gemeinsamen Windpark. Insbesondere eine klare Konzentrationsflächenplanung in Abstimmung mit den Nachbarkommunen sei hier ausschlaggebend für das „Kommunale Energiewende-Projekt“ in Gengenbach gewesen. Auch bei den anderen, im Forum 2 vorgestellten Projekten wurde deutlich: Es braucht den Kümmerer, der Klimaschutz zur Chefsache macht. Ebenso wurde klar, dass eine transparente Planung gemeinsam mit der Bürgerschaft für eine starke Akzeptanz sorgt. Das virtuelle Kraftwerk des Landkreises Ebersberg, über das Landrat Robert Niedergesäß berichtete, ist ein stetig wachsender Zusammenschluss insbesondere mehrerer Biogasanlagen. In der Stadt Bergisch Gladbach, so Bürgermeister Lutz Urbach in seinem Referat, habe man durch den Einsatz der LED-Straßenbeleuchtung große Einsparpotenziale realisiert. In diesen Rahmen passte auch der Vortrag von Dr. Jörg Salomon zu den StreetScooter der Deutschen Post AG. Anschaulich stellte er die Eigenentwicklung des Elektromobils „StreetScooter“ dar und belegte die erzielten Einsparpotentiale der im täglichen Lieferbetrieb eingesetzten Fahrzeuge.

In dem von Frau Dr. Katrin Flasche, U.A.N., moderierten Forum 3 „Über Grenzen denken in der Klimafolgenbewältigung“ referierte Bürgermeister Hans-Josef Vogel, Stadt Arnsberg, zur „Klimaanpassung durch Renaturierung von Gewässern im Stadtgebiet.“ Diese habe insbesondere sehr positive Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bürger und die lokale Artenvielfalt. Detlef Geerts, Fachbereichsleiter Umwelt und Klimaschutz der Stadt Osnabrück, stellte sehr instruktiv unter dem Thema: „Flugthermografie in Osnabrück: Den Bürgern aufs Dach geschaut!“ die erzielten Auswirkungen einschließlich der Einsparpotentiale dar. Das Projekt habe für internationales Interesse, beispielsweise aus Japan und Kanada, gesorgt. Schlüsselfaktoren seien auch hier die interkommunale Zusammenarbeit und Bürgerkommunikation gewesen. Die Notwendigkeit, Klimafolgemaßnahmen im Verwaltungshandeln stets mitzudenken verfolgt das Projekt „KliFo“, das Silke Nolting von der Kommunalen Umwelt-AktioN (U.A.N.) anschaulich und praxisnah vorstellte.

Nach der Mittagspause eröffnete der Bonner Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan das Nachmittagsprogramm der DStGB-Klimaschutzkonferenz. Er stellte fest, dass Klimaschutz eine Gemeinschaftsaufgabe sei, die ohne Städte und Gemeinden nicht zu bewältigen sei. Die Stadt Bonn als Veranstaltungsort des nächsten Weltklimagipfels biete mit ihrer Energieagentur und einem Solardachkataster besondere Beratungs- und Serviceangebote. Ebenso engagiert sich Sridharan persönlich als Stellvertretender Präsident des Städtenetzwerks ICLEI – Städte für Nachhaltigkeit – dafür, dass die aktive Rolle der Kommunen im Klimaschutz weltweit Beachtung findet.

Auch diesmal konnte der Deutsche Städte- und Gemeindebund wieder Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks auf seiner Klimaschutzkonferenz begrüßen. Sie betonte die zentrale Rolle der Kommunen im Klimaschutz. Bereits ein Drittel der deutschen Kommunen seien sehr aktiv. Eine Klimaschutzpolitik ohne das Engagement der Kommunen würde fehlschlagen. Durch den Weltklimavertrag von Paris sei eine Zeitenwende eingeläutet worden. Während 2015 das Jahr der Entscheidungen gewesen sei, habe mit 2016 die Zeit der Umsetzung begonnen. Unausweichliche Folge der Verpflichtung der ratifizierenden Staaten, bis zum Jahr 2050 CO2-neutral zu sein, sei eine Umgestaltung der Wirtschaftssysteme. Für Deutschland stelle der Klimaschutzplan 2050 die langfristigen Ziele dar. Zentral sei, dass erstmals für alle Wirtschaftszweige konkrete und kontrollierbare Reduktionsziele festgelegt wurden. Die bereits heute vorkommenden Starkwetter-Ereignisse zeigten, dass auch Kommunen beim Klimaschutz weiter aktiv bleiben müssten. Eine Chance stellte Hendricks heraus: Viele Maßnahmen zum Klimaschutz, wie etwa Grünflächen, renaturierte Gewässer oder eine saubere Luft, dienten auch der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger. Abschließend stellte Hendricks fest, man müsse keine Angst vor dem Klimawandel haben: „Wir werden anders, aber nicht schlechter leben!“

Es folgte die beeindruckende Preisverleihung des Wettbewerbs „Menschen und Umwelt“. Diese machte das große Engagement einzelner Personen für den Klimaschutz deutlich. Dr. Marco Trips, Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes und Mitglied des Kuratoriums der Stiftung IntEF-U.A.N., verlieh neben weiteren Preisen den Hauptpreis an den Landkreis Emsland für dessen Projekt „Hotspot-Projekt Wege zur Vielfalt – Lebensadern im Sand“.

Zum Abschluss der Jubiläumsveranstaltung hielt Professor Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Schellnhuber einen eindrucksvollen Vortrag über „Klima, Wandel und Moral – Klimaschutz als Weltbürgerbewegung.“ Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) stellte fest, dass der Klimawandel ein globales Phänomen sei, aber der Beitrag jedes Einzelnen bereits den entscheidenden Unterschied machen könne. Zum Verständnis von Klima und Klimawandel sei ein Rückblick in die Vergangenheit nötig. Veränderungen des Klimas habe es stets gegeben. Der derzeit stattfindende Klimawandel habe allerdings eine ganz andere Qualität als bisher und sei definitiv menschlichen Ursprungs.

Als maßgeblichen Faktor im Klimawandel stellte Professor Schellnhuber die Nutzung fossiler Brennstoffe durch die menschliche Zivilisation heraus. Der industrielle Metabolismus habe fatale Auswirkungen auf die das Weltklima bestimmenden zentralen „Kippelemente“: Eiskörper, Strömungssysteme und Ökosysteme. Bereits heute, so Schellnhuber, sei eine Abschwächung des Golfstroms um 20 Prozent messbar. Selbst eine Einhaltung des Weltklimavertrages von Paris würde massive Veränderungen im Klima bedeuten. Als Antwort sieht Professor Schellnhuber insbesondere polyzentrische Modelle und eine Konzentration der Entwicklung auf Klein- und Mittelstädte statt auf die Metropolen als nötig an.

(Foto: DStGB-Präsident Roland Schäfer, Bürgermeister von Bergkamen, auf der DStGB Klimakonferenz in der Deutschen Welle in Bonn. © Henning Angerer)

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