Kommunen warten dringend auf Hartz-IV Kompromiss

MDR-Info:
Im Streit um die Hartz-IV-Reform haben sich heute Regierung und Opposition erneut nicht einigen können. Die letzte Spitzenrunde wurde am frühen Morgen nach über neun Stunden beendet. Der Hauptstreitpunkt ist nach wie vor die Erhöhung des Regelsatzes. Die Gespräche sollen nun morgen fortgesetzt werden. Damit ist voraussichtlich aber auch der Plan gescheitert, das Gesetz bereits an diesem Freitag im Bundesrat unter Dach und Fach zu bringen. Wir waren im Gespräch mit dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg.

Herr Landsberg, sind die Gemeinden enttäuscht, dass man sich nicht einigen konnte?

Landberg:
Ich bin schon ein bisschen enttäuscht und wir hoffen, dass dies ja auch im Sinne der 7,3 Millionen Leistungsempfänger und der über zwei Millionen Kinder, die auf die zusätzlichen Leistungen warten, dass man doch noch schnell zu einer Einigung kommt. Es ist übrigens auch im Interesse der Mitarbeiter in den Jobcentern. Für die ist dieser Schwebezustand auch nicht besonders schön.

MDR-Info:
Was bedeutet denn jetzt dieser Schwebezustand für die Gemeinden konkret?

Landsberg:
Die Gemeinden sind bereit, dieses so genannte Bildungs- und Teilhabepaket umzusetzen. Aber auch das sage ich ganz deutlich: Nur zu fairen Bedingungen. Und faire Bedingungen heißt: Wir wollen eine dauerhafte volle Kostenerstattung einschließlich der Verwaltungskosten. Und wenn Sie die Diskussion in den Medien gestern Nacht verfolgen, ist dort ja offenbar auch die Idee geboren worden: Also wir entlasten die Kommunen bei der Grundsicherung im Alter und dann wird das verrechnet. So eine Lösung möchten wir nicht, da haben wir ganz schlechte Erfahrungen. Wir wollen das, was wir tun bezahlt haben, denn wir tun das ja im Bundesinteresse und das muss der richtige Weg sein. Natürlich wollen wir auch bei der Grundsicherung im Alter entlastet werden, weil wir der Auffassung sind, dass das keine kommunale Aufgabe ist Menschen die so eine niedrige Rente haben, dass es nicht reicht - diese Zusatzkosten muss das System, also der Bund, bezahlen.

MDR-Info:
Jetzt haben Sie die alten Menschen angesprochen. Aber gestritten wird auch weiterhin über das Bildungspaket. Darum sollen sich die Kommunen kümmern. So viel scheint momentan klar. Allerdings ist noch nicht klar, wie das Geld an die Kommunen transferiert werden soll. Warum können Kommunen Schulmittagessen oder zum Beispiel Nachhilfe besser organisieren als die Bundesagentur für Arbeit?

Landsberg:
Ich glaube, dass die Kommunen da viel näher dran sind. Wir haben Jugendämter, wir arbeiten mit den Vereinen zusammen, wir sind Schulträger. Die Bundesagentur für Arbeit ist darauf spezialisiert - das ist ihr Job - Erwerbslose in Arbeit zu bringen, aber mit allen Fragen, die Jugendliche und Kinder angehen, haben die grundsätzlich nichts mit zu tun, dafür sind sie nicht ausgebildet. Es würde zusätzliche Doppelstrukturen schaffen – die kann man vermeiden. Das ist eine kommunale Aufgabe, die sollte auch kommunal gelöst werden und auch wenn der Auftrag – wenn er dann kommt – ja an die kreisfreien Städte und die Kreise geht, müssen natürlich die kreisangehörigen Gemeinden auch eingebunden werden. Denn dort sitzen die Vereine und dort sind auch die Schulen.

MDR-Info:
Viele Städte sind finanzschwach, haben Schulden. Die haben jetzt schon Schwierigkeiten, Aufgaben komplett abzudecken, die eigentlich Pflicht wären für die Kommunen. Könnten die Kommunen das auch wirklich alles leisten?

Landsberg:
Ich bin sicher, dass die Kommunen das leisten können, weil sie schon jetzt viel in der Jugendarbeit machen. Einen Teil der Leistungen, die ja dann im Gesetz stehen werden, werden auf freiwilliger Basis, wenn auch nicht in diesem Umfang, bereits von den Kommunen durchgeführt, so dass wir das können. Aber wie Sie richtig gesagt haben: Unsere Finanzlage ist dramatisch. Zusätzliche Aufgaben können wir nur mit dauerhaft zusätzlichem Geld bewältigen.

MDR-Info:
Bleiben wir beim Stichwort „Geld“. Die Erhöhung des Regelsatzes für Hartz-IV-Empfänger um fünf Euro. Wie stehen Sie dazu?

Landsberg:
Wir halten diese Berechnung, die Frau von der Leyen gemacht hat, für nachvollziehbar. Man kann sich natürlich mehr wünschen. Ich verstehe auch, wenn Betroffene sagen: „Mensch, fünf Euro, das ist ja nicht viel“. Aber man muss einfach wissen, wenn das deutlich steigt, steigt damit automatisch die Zahl der Leistungsempfänger. Wir haben jetzt schon 7,3 Millionen im System – um mal eine Zahl zu nennen. Die Wohlfahrtsverbände haben gesagt, dass es über 400 Euro im Monat sein müssen. Dann sind das zwei Millionen weitere Leistungsempfänger. Und man muss fairer Weise auch sagen: Der Abstand zu den Menschen, die arbeiten, der wird natürlich immer geringer und auch Lohnabstand ist in diesem Bereich ein wichtiges sozialpolitisches Ziel. Deswegen sehen wir eine deutliche weitere Erhöhung eher skeptisch.

MDR-Info:
Sagt Gerd Landsberg. Er ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

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