Pressemitteilung
Kommunen brauchen verlässlichen Überforderungsschutz
Das Rechtgutachten „Grundgesetzlicher Überforderungsschutz kommunaler Selbstverwaltung“ des ehemaligen Bundesverfassungsrichters und Ministerpräsidenten a. D. Peter Müller unterstreicht, dass die Kommunen verfassungsrechtlich garantierte Ansprüche auf eine angemessene und finanzielle Mindestausstattung haben und durch Bund und Länder nicht überfordert werden dürfen.
In der Realität zeichnet sich aber eine ganz andere Entwicklung ab. In den letzten 20 Jahren haben sich die Ausgaben für soziale Leistungen mehr als verdoppelt, auf zuletzt rund 80 Milliarden Euro pro Jahr. Zugleich sind die Kommunen in Deutschland aktuell mit rund 70 Prozent der Aufgaben betraut, erhalten aber nur knapp 15 Prozent der Einnahmen. Diese Rahmenbedingungen stehen in einem eklatanten Missverhältnis zu einer grundgesetzlich verbrieften auskömmlichen Finanzausstattung.
Die Länder sind in der Pflicht, die Gemeinden finanziell mindestens so auszustatten, dass sie die Mittel, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen, auch bekommen. Dazu gehören in jedem Fall die ihnen übertragenen Pflichtaufgaben. „Der Träger kommunaler Selbstverwaltungshoheit muss zwangsläufig aber mehr sein als nur ein ausführendes Organ einer anderen staatliche Ebene. Wir sehen die Verpflichtung der Länder, den Kommunen eine freie Spitze zur Gestaltung zur Verfügung zu stellen, aktuell nicht erfüllt“, betont Spiegler.
„Es ist höchste Zeit, die gelebte Praxis der Länder zu beenden, auf die Auslösung der Konnexität auf kreativem Wege zu verzichten. Durch die ausbleibende Mittelkompensation kommt es aus unserer Sicht vielerorts zu einer unzumutbaren Einschränkung des Rechtes auf kommunale Selbstverwaltung“, unterstreicht Berghegger.
Sofern die Länder diese Praxis nicht beenden, muss angesichts der Vielzahl der vom Bund geschaffenen Aufgaben und Rechtsansprüche ein direkter Finanzierungsweg vom Bund an die Kommunen geschaffen werden. „Wir müssen über alternative Finanzierungsmöglichkeiten diskutieren, um den Städten und Gemeinden die Ausübung ihres verfassungsrechtlichen Auftrags zu ermöglichen“, so Spiegler.
Die Zielsetzungen der Regierung rund um die Staatsmodernisierung und Entbürokratisierung, etwa auch bei der Vergabe von Fördermitteln, sind unterstützenswert. Ebenso sind die Infrastrukturinvestitionen ausdrücklich zu begrüßen. Allein bei einem kommunalen Investitionsrückstand von 216 Milliarden laut KfW-Kommunalpanel ist aber für jedermann ersichtlich, dass die 100 Milliarden für Infrastruktur verteilt auf Länder und Kommunen hier nur ein Baustein eines Maßnahmenbündels sein kann.
„Die Kommunen sind das Fundament unserer Demokratie. Handlungsfähige Kommunen sichern die Daseinsvorsorge und sorgen für gute Lebensbedingungen. Damit die Handlungsfähigkeit angesichts desolater Kommunalfinanzen wiederhergestellt wird, braucht es nicht nur politische Rückendeckung, sondern auch rechtliche Klarheit und finanzielle Sicherheit. Die Zeit von Förderprogrammen mit punktuellen Finanzspritzen, Modernisierungsankündigungen und Schönheitsreparaturen muss vorbei sein“, betonen Präsident Ralph Spiegler und Hauptgeschäftsführer André Berghegger.
„Wir erwarten von Bund und Ländern einen echten Überforderungsschutz. Wenn die auskömmliche Finanzausstattung der Städte und Gemeinden durch die Länder ausbleibt, brauchen wir einen neuen, direkten Finanzierungsweg vom Bund an die Kommunen“, unterstreichen Spiegler und Berghegger abschließend.
Hintergrund zum Gutachten
Das Gutachten „Grundgesetzlicher Überforderungsschutz kommunaler Selbstverwaltung“ des ehemaligen Bundesverfassungsrichters und Ministerpräsidenten a. D. Peter Müller wurde vom Deutschen Städte- und Gemeindebund in Kooperation der Freiherr vom Stein-Akademie in Auftrag gegeben und ist unten als PDF-Dokument frei zugänglich abrufbar.
