Kommunen im EU-Verfassungsvertrag

Aus kommunaler Sicht sind in dem Verfassungsentwurf vor allen Dingen folgende Aspekte hervorzuheben: Im Europäischen Verfassungsentwurf erfolgte die Aufnahme der kommunalen Selbstverwaltung in das Gebot der Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten (Art. I-5 Abs. 1 der EU-Verfassung). Dies ist überhaupt das erste Mal, dass der Begriff der „kommunalen Selbstverwaltung“ in einem europäischen Gesetzestext auftaucht! Weiterhin wurden die Kommunen und Regionen ausdrücklich in das so genannte Subsidiaritätsprinzip aufgenommen, das die Handlungszuständigkeiten der EU reguliert. Der Verfassungsentwurf sieht in seinem Art. I-11 Abs. 3 vor, dass die europäische Ebene nur dann tätig werden soll, sofern das zu erreichende Ziel nicht besser auf der Ebene der Mitgliedstaaten, der Regionen oder der Kommunen erreicht werden kann.

Betreffend den Ausschuss der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften gelangt der Verfassungsentwurf zur Einführung eines Klagerechtes vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) bei Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips. Zukünftig sollen bei der EU-Gesetzgebung Gesetzesfolgenabschätzungsverfahren mit Blick auf die Auswirkungen auf kommunaler und regionaler Ebene durchgeführt werden. Zudem wurde das Prinzip der Konsultation und Partizipation der repräsentativen Verbände in den Entwurf der EU-Verfassung aufgenommen.

Die die Kommunen unmittelbar betreffenden Textpassagen im Entwurf einer Europäischen Verfassung werden hier wegen ihrer grundlegenden Bedeutung im Auszug wiedergegeben und dokumentiert:

Artikel I-5 Abs. 1: Beziehungen zwischen der Union und den Mitgliedstaaten
„Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten, die in deren grundlegender politischer und verfassungsrechtlicher Struktur einschließlich der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt.“

Artikel I-11 Abs. 3: Grundprinzipien
„Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend erreicht werden können, und vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser erreicht werden können.“

Artikel I-32 Abs.1, 2 und 4: Die beratenden Einrichtungen der Union
„Das Europäische Parlament, der Ministerrat und die Kommission werden von einem Ausschuss der Regionen sowie einem Wirtschafts- und Sozialausschuss unterstützt, die beratende Aufgaben wahrnehmen.
Der Ausschuss der Regionen setzt sich aus Vertretern der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften zusammen, die entweder ein Mandat in einer regionalen oder lokalen Gebietskörperschaft innehaben oder gegenüber einer gewählten Versammlung politisch verantwortlich sind.
Die Mitglieder des Ausschusses der Regionen und des Wirtschafts- und Sozialausschusses sind an keine Weisungen gebunden. Sie üben ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der Union aus.“

Artikel I-47 Grundsatz der partizipativen Demokratie
„Die Organe der Union geben den Bürgern und den repräsentativen Verbänden in geeigneter Weise die Möglichkeit, ihre Ansichten zu allen Bereichen des Handelns der Union öffentlich bekannt zu geben und auszutauschen.
Die Organe der Union pflegen einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft.
Um die Kohärenz und die Transparenz des Handelns der Union zu gewährleisten, führt die Kommission umfangreiche Anhörungen der Betroffenen durch.“

Präambel der Charta der Grundrechte der Union
„Die Union trägt zur Erhaltung und zur Entwicklung dieser gemeinsamen Werte unter Achtung der Vielfalt der Kulturen und Traditionen der Völker Europas sowie der nationalen Identität der Mitgliedstaaten und der Organisation ihrer staatlichen Gewalt auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene bei.“

Subsidiaritätsprotokoll zur EU-Verfassung
In Ausführung von Artikel I-11 Abs.3 des Entwurfs einer EU-Verfassung wird dieser das rechtsverbindliche „Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“ beigefügt werden. Dies sieht aus der kommunalen Sicht vor allem vor:
„Die Kommission führt umfangreiche Anhörungen durch, bevor sie einen Gesetzgebungsakt vorschlägt. Dabei ist gegebenenfalls der regionalen und lokalen Dimension der in Betracht gezogenen Maßnahmen Rechnung zu tragen.
Die Kommission berücksichtigt dabei, dass die finanzielle Belastung und der Verwaltungsaufwand der Union, der Regierungen der Mitgliedstaaten, der regionalen und lokalen Behörden, der Wirtschaft und der Bürger so gering wie möglich gehalten werden und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen müssen.
Der Gerichtshof ist für Klagen wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts gegen das Subsidiaritätsprinzip zuständig,… Gemäß dem genannten Verfassungsartikel können entsprechende Klagen auch vom Ausschuss der Regionen in Bezug auf Gesetzgebungsakte, für deren Annahme die Anhörung des Ausschusses der Regionen nach der Verfassung vorgeschrieben ist, erhoben werden.“

Gerade das Protokoll über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit enthält wichtige Detailregelungen aus kommunaler Sicht. Vor dem Vorschlag von Rechtsakten ist eine umfassende Konsultation durchzuführen, wobei der regionalen und lokalen Dimension der in Betracht gezogenen Maßnahmen Rechnung zu tragen ist. Die Europäische Kommission wird verpflichtet, die finanziellen und administrativen Folgen für die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften wie für den Bürger darzulegen und so gering wie möglich zu halten. Und: Der Ausschuss der Regionen und die nationalen Parlamente erhalten das Recht, vor dem EuGH Klage wegen einer Verletzung des Subsidiaritätsprinzips zu erheben.

Fazit: Die Europäische Verfassung ist ein wichtiger Schritt zur endgültigen Verankerung der kommunalen Selbstverwaltung in Europa. Die Kommunen werden als wichtige Akteure in Europa anerkannt und geachtet.

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