Antisemitismus

Lagebild Antisemitismus: Deutlicher Anstieg antisemitischer Straftaten

Die Zahl der antisemitischen Straftaten ist 2018 und 2019 erneut angestiegen. Das geht aus dem kürzlich veröffentlichten Lagebild zum Antisemitismus des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) hervor.

Das bereits hohe Niveau der Jahre 2016 und 2017 (rund 1.500 judenfeindliche Straftaten) stieg 2018 um 20 Prozent auf 1.800 Delikte und 2019 um weitere 13 Prozent an. Insgesamt wurden im letzten Jahr 2.000 antisemitische Straftaten registriert. Bei den antisemitischen Gewalttaten ist zwischen 2017 und 2019 nahezu eine Verdopplung festzustellen. Die von der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten antisemitischen Gewalttaten sind mit einem Anteil von knapp 85 Prozent weit überwiegend rechtsextremistisch motiviert.

Dabei ist Judenfeindlichkeit grundsätzlich in sämtlichen extremistischen Strömungen verbreitet: Unter Rechtsextremisten ebenso wie bei "Reichsbürgern und Selbstverwaltern", im Islamismus und Ausländerextremismus wie im Linksextremismus. Der weit überwiegende Teil der antisemitischen Straftaten (über 90 Prozent) wird allerdings von Anhängern rechtsextremistischer Ideologien begangen.

Mehr als die Hälfte der Volksverhetzungen sind antisemitischer Natur und tauchen häufig im Internet auf, das Extremisten als Propaganda- und Kommunikationsinstrument zur Verbreitung antisemitischer Ideologie nutzen.

Das Spektrum des Antisemitismus reicht laut dem Lagebericht von unausgesprochenen judenfeindlichen Einstellungen bis hin zum Mord. Latenter Antisemitismus, also das stillschweigende Einverständnis mit judenfeindlichen Auffassungen oder diffuse Aversionen gegen Juden, ist weit verbreitet. Der Schritt, seine Abneigung gegen Juden als unterschwelligen Alltagsantisemitismus nach außen zu kommunizieren, wurde in den letzten Jahren immer häufiger gewagt.

Aus dem Lagebericht geht hervor, dass wir seit über 20 Jahren einen durchgängig hohen Stand antisemitischer Straftaten haben. Zu keinem Zeitpunkt fiel der Wert unter rechnerisch drei bis vier Delikten pro Tag. Bereits ab Anfang der 2000er-Jahre bis zum vorläufigen Höhepunkt 2006/07 – der Zeit des Libanonkrieges – konnte ein kontinuierlicher Anstieg beobachtet werden.

Das Lagebild Antisemitismus ist hier abrufbar.

Bewertung des DStGB

Die steigenden Zahlen antisemitischer Straftaten sind alarmierend und nicht hinnehmbar. Auch abseits der Kriminalstatistik sind zunehmend Beleidigungen im Alltag, auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln und gerade auch bei Demonstrationen und öffentlichen Veranstaltungen zu beobachten. Diese kommen zwar überwiegend von rechts- oder linksextremistisch eingestellten Tätern, aber auch zunehmend aus der Mitte der Gesellschaft. Solche Äußerungen und Straftaten, die sich gegen Jüdinnen und Juden richten, sind aufs Schärfste zu verurteilen und konsequent durch Justiz und die Polizei zu ahnden. Ansonsten droht ein ernsthafter Schaden für die Demokratie und die gesamte Gesellschaft. Hier sind alle Regierungsebenen - Bund, Länder und Kommunen -, aber auch die Gesellschaft vor Ort gefragt, Haltung zu zeigen und sich gegen Hass, Ausgrenzung und Antisemitismus zu positionieren. Das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität im Netz ist ein wichtiger Schritt. Darüber hinaus muss die Präventionsarbeit in Kommunen gestärkt und dauerhaft finanziert werden.

Der DStGB spricht sich für den Aufbau von lokalen Präventionszentren aus, um Extremismus- oder Radikalisierungstendenzen in der Gesellschaft gar nicht entstehen zu lassen bzw. diese in dem einem möglichst frühen Stadium aufzufangen. Hier müssen bereits laufende Aktivitäten und Präventionsangebote systematisch aufgebaut, miteinander verbunden und in einer ganzheitlichen Strategie verankert werden. Es müssen je nach Form des Antisemitismus – ob von links, rechts, von islamistischer Seite oder aus der Mitte der Gesellschaft – adressatengerechte, passgenaue Strategien entwickelt werden. Sicherheitsbehörden arbeiten hier eng mit Entscheidungsträgern in der Kommune, Arbeitgebern, Lehrer*innen, Sozialarbeiter*innen, Verbänden, Vereinen im Bereich Jugend, Bildung, Gesundheit und Sport sowie den Bürger*innen zusammen. Solche Präventionszentren könnten gleichzeitig eine Plattform für die gesellschaftlichen Kräfte vor Ort sein, um den notwendigen Austausch über die Radikalisierung im persönlichen oder beruflichen Umfeld zu gewährleisten. Die Zentren sollten auf Landes- und Bundesebene, dort z.B. über das eingerichtete Kompetenznetzwerk Antisemitismus, vernetzt und der Informationsfluss unter den Behörden aller Ebenen ausgebaut und gesichert werden.

Wichtig sind auch online-basierte, interaktive Präventionsangebote, wie z.B. Online-Schulungen, Beratungsangebote oder Online-Sozialarbeit. Eine besondere Rolle spielt auch die Stärkung der politischen Bildung in den Schulen, der Jugendarbeit bis zu Demokratiewerkstätten vor Ort.

Die Präventionsarbeit wird aktuell auf Bundesebene vor allem durch die Programme "Demokratie leben!" und "Zusammenhalt durch Teilhabe" gefördert. In der neuen Förderperiode bis 2024 ist der verstärkte Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus ein bedeutender Schwerpunkt. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen und ein wichtiger Schritt. Um jedoch dauerhaft Präventionsstrukturen vor Ort zu etablieren und zu stabilisieren, ist ein verbindlicher Organisationsrahmen notwendig (Präventionsgesetz). Dort sollten die organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen für eine umfassende Präventionsstrategie verankert werden.

Weitere Informationen:

Foto: © vege-Fotolia.com

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