Vergabe

Die Pandemie stärkt weniger genutzte Vergabearten und Instrumente

Herr Portz, insgesamt haben die Ausschreibungen im vergangenen Jahr erneut zugelegt – eine Corona-Delle gibt es also nicht?

Das Wachstumstempo hat sich schon abgeflacht – nicht nur im Vergleich zu 2019, auch im Fünf-Jahres-Vergleich. Das geht ja deutlich aus den competitionline-Zahlen hervor. Dennoch muss man sehr richtig festhalten, dass die Ausschreibungslandschaft in der Corona-Zeit bislang kaum Federn lassen musste. Im Grundsatz wurde in der Pandemie nahtlos weitergeplant und auch gebaut. Das ist auch gut so, weil wir gerade in den Kommunen unter einem hohen Investitionsbedarf ächzen. Dieser betrug 2020 immerhin 147 Milliarden Euro. Wenn daher jetzt auch noch aufgehört würde, zu investieren, könnte uns das schnell das Genick brechen.

Blicken wir mal auf die einzelnen Gebäudetypen – da hat der Verkehr die Schulen überholt …

Was übrigens nicht heißt, dass den Städten und Gemeinden Straßen wichtiger sind als Schulen. Beim Verkehr muss man sehen, dass das ein Bereich ist, der sowohl vom Bund als auch von den Ländern als auch von den Kommunen getragen wird. Bei den gut 40.000 Schulen in Deutschland sind zumeist die Kommunen die Träger und finanzieren diese. Von daher bin ich ganz zufrieden, dass weiter sehr viel in die Schulen investiert wird und Schulen mit so einem umfassenden Bereich wie den Verkehr, der aus zumindest drei großen Töpfen finanziert wird, mithalten kann.

Im diesjährigen Monitor sticht heraus, dass der Anteil der Wettbewerbe, also die Verhandlungsverfahren mit integriertem Planungswettbewerb, an den Vergabeverfahren weiter abgenommen hat. Wie erklären Sie sich das?

Da würde mich die Entwicklung in den nächsten, hoffentlich weitgehend Corona-freien Jahren interessieren. Denn meine spontane Antwort würde lauten, dass der Rückgang bei den Wettbewerben rein Pandemie-bedingt ist. Wettbewerbe leben ja von der Präsenz, von den Schaubildern und Tafeln, über die dann auch im haptischen Austausch die jeweiligen Jurys diskutieren. Alles das ist auf digitaler Ebene weitaus schwieriger. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, sonst gäbe es ja wegen Corona gar keine Wettbewerbe mehr; aber es ist eben weitaus schwieriger geworden. Ich denke, dass das die Zahlen stark beeinflusst, ohne dass ich das empirisch belegen kann.

Und wenn wir das jetzt mal verfahrensübergreifend auf 2021 und 2022 spiegeln – wohin geht die Reise?

Hoffentlich nach oben! Ich bin jedenfalls optimistisch. Aber klar ist auch: Der öffentliche Ausschreibungswettbewerb hat in Corona-Zeiten an Attraktivität verloren, es werden vermehrt andere Ausschreibungen genutzt. Nach wie vor haben wir hier und da den Tatbestand der Dringlichkeit. Nehmen wir das jüngere Beispiel des nötigen und auch schnell erforderlichen Einrichtens der Impfzentren auf kommunaler Ebene. Dass es da oft keine langen Ausschreibungen mit vielen Wochenfristen gibt, sondern eher das schnellere Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb zum Tragen kommt, liegt in der Natur der Sache. 

Auch andere flexible Vergabeinstrumente gewinnen eine größere Bedeutung. Rahmenverträge etwa, die nach dem Motto ablaufen: einmal ausschreiben und dann bei einen oder mehreren Vertragspartnern bestimmte Leistungen mehrfach und oft ohne die Durchführung eines erneuten Wettbewerbs abrufen.

Vielleicht findet auch die Innovationspartnerschaft, die ja bis heute ein rudimentäres Dasein führt, etwa im IT-Bereich und ähnlichen Leistungen ein Aufblühen. Das heißt aber nicht, dass die öffentliche Ausschreibung an Wert verliert. Dazu ist der Preisdruck zu groß und der Mehrwert von Wettbewerben zu groß. Die öffentliche Ausschreibung macht ja schon deswegen Sinn, weil wir weiter bei kommunalen Beschaffungen viel zu wenig Angebote bekommen. Dann ist es gut, wenn über öffentliche Ausschreibungen ein breiterer Markt angestoßen wird, als das über die gezielte Ansprache nur eines oder weniger Unternehmen, die dann allein die Preise bestimmen, erfolgen kann.

Nun argumentieren Architekt*innen, Stadtplaner*innen und Ingenieur*innen in der Ausschreibungspraxis weniger mit dem Preis als mit der Planungsqualität und der Suche nach der besten Lösung. Was halten Ihre Verbandsmitglieder insoweit von der Baukultur?

Bei kommunaler Planungsleistungen, also etwa der Vergabe geistig-kreativer Leistungen, wie der Entwurfsplanung für den Neubau eines städtischen Kindergartens, ist der Preis für die Auftragserteilung gegenüber der Qualität der Planung nachrangig. Hier gilt: „Wer billig plant, baut teuer.“ Dieser Grundsatz besteht auch nach der seit Anfang 2021 geltenden neuen HOAI fort. Auch nach dem neuen Recht muss bei der Vergabe von Planungsleistungen der „Leistungswettbewerb“ Vorrang haben. Zudem ist eine qualitätsvolle Planungs- und Baukultur ein wesentlicher Baustein für attraktive und vitale Kommunen. Das gilt speziell für lebenswerte Innenstädte. Diese zu schaffen und zu erhalten wird angesichts des massiven Wandels unserer Innenstädte aufgrund des durch die Pandemie nochmals forcierten online-Handels noch wichtiger. 

Denn erst eine gute Baukultur, die eine qualitätsvolle Gestaltung öffentlicher Plätze umfasst, schafft den nötigen Erlebnisraum Innenstadt. Hiervon profitieren die örtliche Wirtschaft, die Gastronomie, die Kultur und die Menschen insgesamt. Für Städte und Gemeinden sind Planungswettbewerbe ein Instrument. Nach § 78 der Vergabeverordnung „gewährleisten Planungswettbewerb die Wahl der besten Lösung der Planungsaufgabe und sind gleichzeitig ein geeignetes Instrument zur Sicherstellung der Planungsqualität und Förderung der Baukultur.“ 

Insgesamt ist wichtig, dass sich bei kommunalen Ausschreibungen genügend Wettbewerb ergibt. Hier stellen wir im Baubereich und speziell bei der Vergabe von Leistungen des Ausbaugewerkes fest, dass der öffentliche Auftraggeber im Vergleich zum privaten Auftraggeber der unbeliebtere ist. Das auch deshalb, weil das Vergaberecht mit Formvorschriften, Bewerbungsbedingungen etc. die Unternehmerseite natürlich stärker in Anspruch nimmt als das dies der rein private Auftraggeber, der hier viel freier ist, macht. 

Da würden Architekt*innen und Ingenieur*innen, die sich im Rahmen von Teilnahmewettbewerben mit anderen Büros in zweistelliger Höhe auf Auslobungen bewerben, jetzt vermutlich heftig protestieren. Erkennen Sie im Bereich Planungsleistungen tatsächlich einen Bietermangel? 

Für die Vergabe von Planungsleistungen gilt das Vorgesagte nur begrenzt. Zwar ist die Zahl der Planungsbüros rückläufig. Kommunen vergeben aber manche Leistungen oft monopolartig. Dazu gehören Leistungen, die, wie die Planung von Bibliotheken, Museen, Kitas oder Schulen, von rein privaten Auftraggeber nicht oder kaum ausgeschrieben werden. Bei der öffentlichen Vergabe dieser Leistungen gibt es daher auch einen Bewerber- und Bieterwettbewerb. 

Voraussetzung ist aber zum einen, dass die Kommunen als Auftraggeber die Anforderungen, etwa an Umsatzzahlen und den bisher von den Büros durchgeführten Leistungen, nicht zu hoch ansetzen. Nur dann haben Berufsanfänger und die vielen kleineren Büros – über 90% aller Planungsbüros in Deutschland haben weniger als zehn Mitarbeiter*innen – eine Chance, sich zu beteiligen. Zum anderen sollten Kommunen angesichts der von den Bewerbern für ihre Beteiligung am Wettbewerb aufzubringenden Kosten prüfen, hierfür eine angemessene Vergütung zu zahlen. Das verbreitert die Teilnehmerzahl und den Wettbewerb.  

Die Kommunen stemmen in der Vergangenheit 60 Prozent der Bauvorhaben und sie leiden stark unter Corona. Nur neue Hilfen sind bislang nicht in Sicht. Was muss da kommen?

Da muss für dieses Jahr sowie auch für die nächsten Jahre finanzielle Unterstützung kommen. Corona-bedingt drohen den Kommunen nach den jüngst veröffentlichten Haushaltszahlen allein im Zeitraum 2020 bis 2024 bis zu 50 Milliarden Euro Steuerverluste. Für 2020 haben Bund und Länder Milliarden-Hilfen an Unterstützung zugesagt, um die kommunalen Ausfälle bei der Gewerbesteuer, aber auch der Einkommensteuer, zu kompensieren (verlinken). Bund und Länder müssen aber einen zweiten Rettungsschirm für die Kommunalfinanzen auch für die kommenden Jahre aufspannen. Wir brauchen Planungssicherheit bei kommunalen Investitionen und gerade jetzt starke Kommunen, die gegen die Wirtschaftskrise investieren. 

Es braucht also …

… Planungssicherheit! Sprich: Die Ausfälle, die die Kommunen auch in diesem Jahr haben werden und die unverschuldet sind, müssen kompensiert werden. Wenn eine Kommune nicht investieren kann, leiden sofort das Handwerk und der Mittelstand vor Ort. Das drückt wiederum die Einnahmen der Gewerbesteuer, aber auch der Einkommensteuer. Aber nicht nur die kommunalen Steuern leiden, es ist ein Ausfall für alle, weil die Infrastruktur leidet. Schüler gehen in schlechtere Schulen, Straßen werden nicht geflickt und nötige Bahnen in den ländlichen Raum werden nicht gebaut. Wir brauchen daher öffentliche Investitionen, um auch die Aufgaben der Daseinsvorsorge, etwa im Sport für Kinder und Jugendliche, oder der Kultur, am Laufen zu halten. 

Vergangenes Jahr gab es ja nicht nur pauschal zwölf Milliarden für die Steuerausfälle, sondern der Bund will sich auch langfristig mehr an den Unterbringungskosten für Hartz-IV-Empfänger beteiligen – ist das nichts?

Doch, doch, absolut. Das ist sehr gut, sinnvoll und wichtig, weil die KDU immens in die Höhe gegangen sind und viele Kommunen zu ersticken drohten. Aber es braucht auch noch die Altschuldenhilfe. Dabei geht es darum, dass bestimmte Kommunen in vor allem NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland in die Lage versetzt werden, überhaupt wieder zu investieren. Sonst fallen strukturschwache Kommunen aus. Schon heute besteht ein Riesengefälle zwischen den Kommunen. Das droht größer zu werden. Ziel muss sein, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland zu sichern. 

Ein Gefälle, das irgendwo aber auch hausgemacht ist, wenn ich an den Strukturwandel im Ruhrgebiet denke, der jahrelang verschlafen wurde …

Na ja. Ob der Strukturwandel in NRW oder Konversionsmaßnahmen in Rheinland-Pfalz und der Abzug der Amerikaner so allein hausgemacht ist, bezweifle ich … Aber so kurzfristig sehe ich beim Thema Altschulden ohnehin keine Lösung, da wir bereits kurz vor oder im Wahlkampf stehen und SPD und CDU/CSU wohl keine Einigung erzielen werden. Nur was die anderen Hilfen angeht, muss es vor der Wahl konkrete Zusagen geben. Nehmen Sie das Thema Einzelhandel in unseren Innenstädten und Ortskernen. Wer kann da noch überleben und wer zahlt da demnächst noch Gewerbesteuer? Der Handelsverband HDE befürchtet ca. 80.000 Schließungen in Innenstädten – heißt auch: Ca. 80.000-mal keine Gewerbesteuer mehr für Kommunen. Schon von daher sollte unstrittig sein, dass es auch 2021 und 2022 Hilfen braucht. Damit Kommunen bei Kita, Schule und Co. noch die Leistungen erbringen können, die nötig sind. Die nötigen Hilfen und Kompensation der Ausfälle für die Kommunen sind ja im Ergebnis nichts anderes als Hilfen für die Bürger*innen und damit für die Menschen vor Ort.  

Herr Portz, vielen Dank 

Weitere Informationen:

Foto: © Gerhard Seybert - Fotolial.com

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