Mit Reformen die Krise überwinden und die Zukunft „intelligent“ gestalten

Rund 70 Kommunalvertreter diskutierten beim 13. Deutschlandforum des Innovators Club in Berlin

Die elementare Bedeutung des Tagungsmottos für Städte und Gemeinden wurde gleich zu Beginn des 13. Deutschlandforums des Innovators Club deutlich: „Es geht um mehr als nur um die kommunale Selbstverwaltung. Es geht um die Rettung der lokalen Demokratie. Wir müssen jetzt handeln“, so Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, zur aktuellen Finanzkrise der Kommunen. Die Frage nach dem „Was?“ war mit diesem Appell eindeutig geklärt, Antworten auf die mit der konkreten Ausgestaltung verbundene Frage nach dem „Wie“ wurden innerhalb der Tagungsvorträge und Diskussionen gesucht.

Wie kann die lokale Demokratie gestärkt werden? Welche innovativen Ansätze existieren bereits heute für Kommunen, um in der gegenwärtig angespannten Haushaltslage ihre finanzielle Situation zu verbessern? Wo können Einsparungen erzielt, wo innovative Ideen eingesetzt werden, um für die Herausforderungen der Zukunft – seien sie finanz- oder klimapolitischer Art – gerüstet zu sein? Dies ist nur ein Ausschnitt aus dem Themenspektrum, das unter den kommunalen Führungskräften während der zwei Veranstaltungstage diskutiert wurde. Mittels zahlreicher Reformvorschläge und innovativer Ideen wurden gemeinsam mögliche Lösungsansätze skizziert.

Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen
Städte- und Gemeindebundes

Dr. Axel Nawrath, Mitglied des Vorstandes der KfW Bankengruppe, begrüßte die Teilnehmer im historischen Gebäude in Berlin und stellte die Förderangebote seines Instituts für Kommunen in Form von Finanzierungsmöglichkeiten kommunaler Infrastrukturvorhaben heraus. Es sei von enormer Bedeutung, mittels ausreichender Investitionen Zukunftsvorhaben der Kommunen zu sichern, um den Weg für Fortschritt zu ebnen und Stagnation zu vermeiden, betonte Nawrath.

Kommunen als "Stiefkinder des Föderalismus"

„Kommunen sind die Verlierer des Föderalismus, sie befinden sich offenkundig in einer föderalistischen Verflechtungsfalle.“, sagte Oswald Metzger, ehemaliger Obmann im Finanzausschuss des deutschen Bundestages. Mit diesem klaren Statement brachte er die prekäre Situation der Kommunen auf den Punkt. Auch wenn der Bund nach dem Konnexitätsprinzip im Grunde dazu angehalten sei, für eine Finanzierung der von ihm beschlossenen Maßnahmen zur sorgen, funktioniere dies nicht immer reibungslos. Nicht alle vom Bund für die Kommunen bereitgestellten Finanzmittel würden ihr Ziel erreichen, stellte Metzger fest. Angesichts vielseitiger Herausforderungen insbesondere in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Klimaschutz und Infrastruktur seien leistungsfähige Städte und Gemeinden jedoch unverzichtbar.

Oswald Metzger referierte zum Thema "Kommunen in der Verflechtungsfalle?"

Zu diesem grundlegenden strukturellen Problem trete die derzeitige katastrophale Finanzlage der öffentlichen Haushalte, so Metzger. Die ohnehin schon schlechte Situation der Kommunen habe sich – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise – dramatisch zugespitzt. Die wegbrechenden Steuereinnahmen würden in Kombination mit den immer weiter steigenden Ausgaben für Sozialleistungen dazu führen, dass sich die dramatische Schieflage der kommunalen Haushalte weiter verschärfe. Vielerorts würden daher freiwillige Leistungen, z. B. für den Kulturbereich, gekürzt oder gar ganz gestrichen und dringend notwendige Zukunftsinvestitionen seien immer seltener möglich. Die Zahl der Aufgaben, die auf kommunaler Ebene wahrgenommen werden müsse, würde nichtsdestotrotz immer weiter ansteigen. Es sei also höchste Zeit, Antworten auf die Fragen nach einem Weg aus dem Dilemma zu finden.

Ein möglicher Ansatz aus der verfahrenen Situation nach Metzger lautete: „Wir müssen die gesetzten Regeln so ändern, dass die Eingaben- und die Ausgabenverantwortung auf der kommunalen Ebene gebündelt werden.“

Mut zu Reformen – Neues wagen

Dass Kommunen trotz der finanziellen Schieflage über ein hohes Maß an Innovationspotential verfügen, konnte anhand verschiedener Finanzierungsideen sowie einem neuartigen Ansatz zur interkommunalen Kooperation, die im Rahmen der Veranstaltung in Berlin vorgestellt wurden, verdeutlicht werden.

Bürgermeister Torsten Krueger (Stadt Langen)

Hubert Nagusch, Projektleiter bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt Dortmund, stellte das dortige Modell der Mikrokreditförderung dar, das seit nunmehr zwei Jahren erfolgreich durchgeführt wird. Eine eigens gegründete Genossenschaft vergibt hierbei Kleinkredite an Selbstständige, die aus unterschiedlichsten Gründen keine Chance zur Finanzierung einer Existenzgründung auf herkömmlichem Wege haben, aber hohe Eigeninitiative und Motivation mitbringen. „Unser Projekt stellt einen wichtigen Baustein zur Revitalisierung der Kommunen dar.“, resümierte Nagusch. Die lokale Ökonomie könne damit gestärkt werden.

Die Stadt Langen nahe Cuxhaven begegnet der schlechten Finanzlage mit dem Verkauf von „Statt-Aktien“. Mit Hilfe dieses ungewöhnlichen Finanzierungsinstruments, das in Stückwerten von 10, 20 oder 50 Euro erhältlich ist, wird die Haushaltskasse entlastet und werden freiwillige städtische Leistungen, wie z. B. Schwimmbäder oder Bibliotheken, weiterhin finanziert. Darüber hinaus versucht die Stadt Langen ihre Bürger auch in viele weitere Planungen mit einzubeziehen, berichtete Thorsten Krüger, Bürgermeister der Stadt. So veranstaltet sie in regelmäßigen Abständen „Zukunftsabende“ und organisiert dort gemeinsam mit den Einwohnern städtische Vorhaben. Mit Kindern und Jugendlichen wurden bereits die Gestaltung mehrerer Spielplätze und mit Senioren der Ausbau von Outdoor-Geräten geplant und durchgeführt. Durch die Einbindung der Bürger werde das ‚Wir-Gefühl’ in der Kommune erheblich gestärkt, so Krüger. „Es ist von enormer Relevanz, dass man die Bürgerinnen und Bürger in möglichst viele Vorhaben aktiv einbindet und dadurch deren Partizipation fördert.“

Auch in Potsdam werden die Bürger beim Aufstellen eines Bürgerhaushaltes mit in die finanzielle Planung der Stadt einbezogen und können auf diese Weise konkrete Vorschläge zur Verwendung der Mittel einreichen. „Die Bürger nehmen das Angebot bisher rege war. Einige Ideen konnten wir schon erfolgreich umsetzen“, berichtete die dortige Projektleiterin Sybille Strotzer über die bisher gemachte Erfahrungen. Ein Bürgerhaushalt könne nicht nur dazu beitragen, dass die Bürgerinnen und Bürger die Haushaltsplanung besser verstehen würden, sondern zeige umgekehrt auch der Verwaltung, auf welche Leistungen die Bevölkerung keinesfalls verzichten wolle und in welchen Bereichen Einsparungen eher möglich seien.

Die Förderung von IT- und eGovernment-Prozessen auf kommunaler Ebene stand im Mittelpunkt des Vortrages von Franz-Ulrich Keindorff, Bürgermeister der Gemeinde Barleben und Dr. Michael Wandersleb, Geschäftsführer der KID Magdeburg, die ihr Modell der „Kommunalen IT-Union“ vorstellten. Das genossenschaftlich angelegte Projekt fördert die interkommunale Kooperation im Bereich IT unter den Mitgliedern. „’Shared Services’ besitzen erhebliche Potentiale, die genutzt werden müssen“, betonte Wandersleb. Seit ihrer Gründung im Jahr 2009 hat die Kommunale IT-Union mehrere Mitgliedsanfragen von Kommunen erhalten, berichtete Wandersleb zur Erfolgsbilanz des Projektes.

Podiumsrunde mit (v.l.n.r.) Professor Martin Junkernheinrich, Bürgermeister Torsten Krüger, Franz-Reinhard Habbel und Detlev Kalischer (KfW)

Prof. Dr. Martin Junkernheinrich (Universität Kaiserslautern), Thorsten Krüger (Bürgermeister der Stadt Langen) sowie Detlev Kalischer (KfW Bankengruppe) diskutierten im Anschluss unter Leitung von Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, die Frage, mit welchen Reformen die Finanz- und Wirtschaftskrise überwunden werden könnte und griffen dabei inhaltliche Aspekte der Vorträge auf. Prof. Junkernheinrich plädierte dafür, Kommunen die Möglichkeit zu geben, Hebesätze auf die Einkommenssteuer einzuführen. Man müsse die Selbstverwaltungskräfte von Kommunen stärken und ein finanzielles Band zwischen Bürgern und Kommunen schaffen. Thorsten Krüger griff wiederum einen der Leit-gedanken des Tages auf und betonte die Notwendigkeit einer intensiveren Einbeziehung und Beteiligung der Bürger als wesentliche kommunale Zukunftsaufgabe. Das Ziel die kommunale Finanzhoheit zu stärken und auszubauen sei überdies von großer Relevanz, unterstrich Kalischer. Die KfW böte beispielsweise die finanzielle Unterstützung von Infrastrukturvorhaben, wie die energetische Sanierung von Kindergärten oder Schulen, an, um den Kommunen damit die Möglichkeit zu geben, Zukunftsvorhaben zügig umzusetzen.

Smart Future – Kommune 2030

Am zweiten Tag des Deutschlandforums richtete sich der Blick der Teilnehmer in den Diskussionsforen und Tagungsbeiträgen weiter in die Zukunft. Wie könnte es in Deutschland im Jahr 2030 aussehen? „Smart Homes“ sind zum Standard geworden. Die Häuser sind klimaschonend und intelligent ausgestattet - von Solarzellen auf dem Dach bis hin zur Wärmepumpe und intelligentem Stromzähler („Smart Meter“) im Keller. Selbst die Haushaltsgeräte denken mit: Je nach Stromerzeugung aus regenerativen Energiequellen, wie Wind- und Sonnenkraft, schalten sich Waschmaschine und Trockner selbstständig ein, wenn ausreichend Strom im Netz verfügbar ist. Das vor der Tür geparkte Elektroauto dient als „Energiespeicher“ für den noch recht unregelmäßig verfügbaren Strom aus regenerativen Quellen und speist überschüssige Energie bei Bedarf wieder ins Netz ein.

Utopie oder realistisches Zukunftsszenario?

Fest steht jedenfalls, dass die Frage der Energieversorgung ein zentrales Zukunftsthema für Städte und Gemeinden darstellt. Der Handlungsdruck, der aus den Folgen der Klimaänderung und dem absehbaren Ende fossiler Energieträger sowie der wachsenden weltweiten Energienachfrage resultiert, nimmt zu. Um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen, bedarf es neuer Ansätze und Innovationen.

Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich der Innovators Club mit den Perspektiven intelligenter Energielösungen in Kommunen. Dabei ging es um die Ausgestaltung zukünftiger Energienetze sowie den Einsatz von Informationstechnologien zur effizienten Energienutzung. Dr. Hanns-Ferdinand Müller (RWE AG) informierte über die Optionen einer nachhaltigen Energieversorgung der Zukunft. An konkreten Praxisbeispielen sowie Pilotierungen von RWE zeigte Müller mögliche Zukunftsszenarien für Kommunen auf. „Mit Hilfe von Pilotierungen wollen wir die Projekte erlebbar machen. Ziel ist es, die Menschen für das Thema Stromverbrauch und Energiesparen zu sensibilisieren und sie langfristig von den positiven Auswirkungen intelligenter Lösungen zu überzeugen“ resümierte Müller.

In Arbeitsgrupppen vertieften die Teilnehmer des Innovators Club die Tagungsthemen und arbeiteten an möglichen Lösungen

Dr. Dina Franzen von der Regio IT Aachen referierte im Anschluss über das „Internet der Energie“. Ein Projekt, das derzeit im Stadtgebiet erprobt wird. Mit Hilfe des ‚mitdenkenden’ Internets erhält der Nutzer einen konkreten Überblick über die Energienutzung sämtlicher Haushaltsgeräte. Der Verbraucher erhält so genaue Informationen über seinen Stromverbrauch und kann dadurch Geräte bewusster und gezielter einsetzen. „Erst so sieht der Nutzer einmal, wie viel Strom ein Gerät benötigt, wenn es beispielsweise auf ‚Stand-by’ steht. Das birgt einen enormen Lerneffekt in sich“, so Franzen. Zudem biete ein intelligentes Netz die Möglichkeit eines effizienten „eLastmanagements“ zur Stabilisierung der Stromerzeugung.

In einer weiteren Arena diskutierten Dr. Dina Franzen (Regio IT Aachen), Kai Paulsen (Bundesnetzagentur), Jens Kammerer (Cisco Systems), Prof. Dr. Michael Laskowski (RWE) sowie Franz-Reinhard Habbel die Potentiale und Anwendungsmöglichkeiten intelligenter Netze. Eines der wesentlichen Ziele sei es, die potentiellen Nutzer von den technischen Neuerungen zu überzeugen und ihnen die Einsparmöglichkeiten, die mit dem Einsatz intelligenter Stromnetze einhergingen, zu verdeutlichen. Intelligente Netze seien die Energieversorgung der Zukunft. Die Kommunen nähmen als bürgernächste Ebene eine wesentliche Vorbildfunktion ein, indem sie den Bürgern über Infoveranstaltungen und Pilotierungen in Haushalten und öffentlichen Gebäuden die Theorie praktisch greifbar machen könnten, resümierten die Teilnehmer.

Während der zweitägigen Veranstaltung wurde deutlich, dass Städte und Gemeinden durchaus über die Kraft und den Mut verfügen, Neues zu probieren und von ausgetreten Pfaden abzuweichen. Einige der intelligenten Ansätze, die im Rahmen des 13. Deutschlandforums vorgestellt und diskutiert wurden, können helfen die gegenwärtig schwierige Situation zu verbessern und wichtige Impulse liefern um die Zukunftsfähigkeit der Kommunen zu stärken.

Als Fazit des 13. Deutschlandforums bleibt, dass Städte und Gemeinden als bürgernächste Ebene in die Lage versetzt werden müssen, sich auf zukünftige Herausforderungen vorbereiten zu können. Dabei sollten sie auf das Engagement und die Ideen der Bürgerinnen und Bürger bauen, sie einbinden und zur aktiven Mitarbeit mobilisieren. Es gilt, die Kommunen und die lokale Demokratie zu stärken und die vor Ort vorhandenen Potentiale zu nutzen. Oder kurz gesagt:

„Stadt statt Staat – Die Zukunft gehört den Kommunen!“

(Alexander Handschuh und Sandra Strang)

dgqg

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