Ausbau der Kindertagesbetreuung große Herausforderung

Eine wesentliche Voraussetzung für mehr Frauen in den Chefetagen sei auch, dass die Eltern auf mehr Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder zurückgreifen könnten. Das ist leicht gesagt, doch beileibe nicht so leicht umgesetzt. Für die Kinderbetreuung zuständig sind die Städte und Kommunen. Am Telefon bin ich deshalb nun verbunden mit Gerd Landsberg, geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Guten Abend Herr Landsberg.

Guten Abend Herr Breker.

Der Ausbau der Kindertagesbetreuung für die Kommunen angesichts ihrer klammen Kassen - eine Herausforderung der besonderen Art. Wie steht es damit?

Das kann man wohl sagen. Ich muss allerdings auch anerkennen, dass sich der Ausbau spürbar beschleunigt hat. Um eine Zahl zu nennen: in diesem Jahr haben wir 472.000 Plätze; wir haben also im Jahr 2010 über 56.000 neue Plätze geschaffen und noch vor wenigen Jahren, also Anfang 2006 waren es nur 285.000. Das sind natürlich nur Zahlen, der Bedarf ist immer noch viel höher als die Plätze, die angeboten werden. Sie habe es dargestellt. Das ist natürlich ein ganz zentrales Finanzierungsproblem der Städte und Gemeinden.

Gerade beim Bedarf gibt es unterschiedliche Einschätzungen, Herr Landsberg. Die Vorgabe des Bundes ist, dass bis zum Jahre 2013 jedes Kinder unter 3 Jahren einen Krippenplatz haben soll. Nur geht der Bund von einem Bedarf von 30 Prozent aus und andere schätzen diesen Bedarf auf 60 Prozent. Was ist denn nun realistisch?

Ich glaube, dass der Bund, übrigens auch die Länder, den Bedarf mit 30 bzw. 35 Prozent zu niedrig angesetzt haben. Da muss man wissen, das haben die nicht absichtlich gemacht. Das beruht auf Überlegungen aus dem Jahr 1999/2000. Die Gesellschaft hat sich natürlich rapide gewandelt. Wir wissen heute, Frauen wollen in den Beruf, sie müssen auch in den Beruf. Die Wirtschaft will das, die Betroffenen wollen das. Wir haben Ende 2009 eine Forsa-Umfrage gemacht bei Frauen, die jetzt in den nächsten Jahren Kinder bekommen wollen und da kommen wir auf eine ganz andere Zahl; da liegen wir bei etwa 55 Prozent und bei den Akademikern bei über 70 Prozent. Und dann ist natürlich diese Zielvorgabe mit den 35 Prozent, das hieße 750.000 Plätze viel zu niedrig und deswegen meinen wir, dass wir noch einmal solide feststellen müssen wie groß der Bedarf ist und dann müssen wir über die Finanzierung reden. Mit den bisherigen Mitteln werden wir das auf keinen Fall schaffen.

Die Finanzierung geht eben von diesen 30 bis 35 Prozent aus.

Sie geht davon aus und selbst diese 35 Prozent sind nicht ausreichend finanziert. Wir haben damals gesagt, das wird etwa 17,6 Milliarden kosten, der Bund hat gesagt „Nein, das kostet 12 und das zahlen wir, 4 Länder, 4 Kommunen, 4 Bund“. Und wir haben Recht. Wir haben deshalb Recht, nicht weil wir besser rechnen können sondern weil immer weniger Mütter bereit sind, als Tagesmutter zu arbeiten. Das hat teilweise auch steuerliche Gründe und viele Eltern wollen offenbar die Kinder lieber in einer Kita betreut wissen. Eine Tagesmutter ist sehr viel preiswerter als eine Kita, so dass dieses Problem noch dazu kommt.

Es sind aber nicht nur die Finanzen Herr Landsberg, es sind auch die Einrichtungen selber, denn sie sollen ja nicht an der Peripherie der Städte gelegt werden, sie müssen ja dahin gepackt werden, wo im Sinne „kurze Wege - kurze Beine“ die Kinder auch problemlos hinkommen können.

Das ist zweifellos richtig. Da hat es ja auch rechtliche Probleme gegeben. Alle wollen Kinderbetreuung aber bitte nicht in der Nachbarschaft. Da ist aber jetzt die Baunutzverordnung entsprechen geändert worden, so dass das deutlich einfacher ist. Aber ich sage es noch einmal: Wir werden es alleine nicht schaffen, ich glaube auch die Wirtschaft muss sich viel stärker engagieren. Nicht jeder Betrieb kann sich einen Betriebskindergarten leisten. Aber natürlich können mehrere Unternehmen sich zusammentun, übrigens auch gerne mit der Kommune, um da etwas auf die Beine zu stellen. Sicherlich müssen auch die Arbeitzeiten von Frauen viel flexibler gestaltet werden, damit die Vereinbarkeit entsprechend gefördert wird. Es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu. Nicht alle Kindergärten werden von ja uns oder von Betrieben geführt, auch die Kirchen haben da relativ viele Kindergärten in der Vergangenheit gehabt und das war auch gut so. Nun ist natürlich die Finanzlage der Kirchen auch alles andere als rosig, so dass sie sich teilweise zurückziehen und das belastet uns natürlich zusätzlich.

Das nächste Problem sind dann die Erzieher und Erzieherinnen, denn bundesweit gibt es, wenn man schaut, wer gerade ausgebildet wird, angesichts von 4 Jahren Ausbildungszeit auch das Problem, dass man 2013 gar nicht genügend Erzieherinnen haben wird.

Das wird zweifellos so sein. Das ist nach wie vor zwar ein interessanter aber offenbar insbesondere auch für junge Männer nicht so sehr attraktiver Beruf. Wir müssen dafür noch mehr werben, wir müssen noch mehr ausbilden und wir müssen uns überlegen, ob es nicht auch im größeren Umfang Quereinsteiger gibt. Das hat man früher in den Grundschulen auch gemacht, um zusätzlich für dort Personal zu gewinnen. Und wir müssen sicherlich noch viel massiver für Tagesmütter werben und vielleicht auch die Rahmenbedingungen verbessern. Das war früher steuerfrei, das ist dann steuerpflichtig geworden und viele Frauen, die das tun, tun das als Nebenjob. Und wenn dann die Steuer dazu kommt und die Sozialversicherung, dann ist das einfach uninteressant. Auch darüber muss man einmal reden.

Man kann ja nicht irgendjemanden im Hau-Ruck-Verfahren zu einem Erzieher ausbilden, denn der Anspruch ist ja inzwischen auch da, dass nicht nur betreut sondern auch gebildet werden soll.

Das ist zweifellos richtig. Wir müssen uns überlegen, ob unsere gesamte Ausbildung, das betrifft nicht nur die Kinderbetreuerinnen sondern auch die Grundschullehrer, ob das eigentlich der richtige Ansatz ist. Erfolgreiche Länder, wie z. B. Schweden haben eine Einheitsausbildung für alle Erzieher und später teilt sich das dann in verschiedene Bereiche auf. Darüber wird man auch reden müssen. Aber da haben wir das gleiche Problem, auch das kostet Geld. Sobald sie eine Ausbildung faktisch zu einer Fachschulausbildung machen, wird natürlich auch mehr verdient, aber wer die Bildungsrepublik will wird am Ende sehr, sehr viel mehr investieren müssen als wir es bisher tun.

Herr Landsberg, was ist denn eigentlich, wenn 2013 so die Krippenplatzgarantie gilt, wenn da jemand klagt, weil sein Kind keinen Platz bekommen hat.

Klare Antwort, den Prozess werden wir verlieren. Und ich bin auch sicher, dass diese Prozesse geführt werden. Es gibt Elterninitiativen, die sich auf so etwas vorbereiten. Wir haben übrigens inzwischen auch schon Menschen, da ist das Kind noch nicht geboren, da melden diese bereits einen Platzanspruch an. Es ist auch verständlich, die Politik hat das gefördert und deswegen glaube ich, die Lösung ist nur: Anstrengungen verstärken, Finanzierungen verbessern. Und wenn das alles nichts hilft, muss man diese 35 Prozent zunächst beschränken und sagen, wenn eine Stadt dieser 35 Prozent geschafft hat, dann ist der Rechtsanspruch damit zunächst erfüllt und dann kann es im nächsten Jahr mehr sein, aber es einfach so laufen zu lassen bis 2013 halte ich nicht für den geeigneten Weg.

Klar ist, Herr Landsberg, der Bund hat da eine Garantie erklärt und dafür gerade stehen müssen die Kommunen und Städte.

Das ist der alte Grundsatz: einer bestellt und andere bezahlt; den wollen wir eigentlich nicht mehr. Aber es gibt da auch einen Lichtblick. Das Landesverfassungsgericht in Nordrhein-Westfalen hat ja ganz klar dem Land gesagt: „Ihr Land müsst den Kommunen die Mehrkosten ersetzen.“ Und das beruht auf einer Verfassungsrechtsbestimmung, die wir in dieser oder ähnlicher Form in allen Landesverfassungen haben. Deswegen bin ich sicher, spätestens Ende diesen Jahres 2012 wird in diese Sache noch einmal eine deutliche politische Bewegung bekommen.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg im Deutschlandfunk.

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