Kommunen wollen sich Ärzte selbst aussuchen

Die Städte, Gemeinden und Landkreise fordern Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) auf, umgehend die medizinische Versorgung auf dem Land zu verbessern. Schon in diesem Monat müssten Gespräche dazu beginnen. Außerdem wollen sie dabei mitreden, wo Ärzte sich künftig niederlassen können. Rösler hat für nächstes Jahr ein Gesetz angekündigt, das den Ärztemangel beheben soll. Die Krankenkassen zweifeln aber, dass es den Mangel gibt.

„Die medizinische Versorgung auf dem Land muss dringend verbessert werden. Der Bundesgesundheitsminister muss schnell handeln“, fordert Hans Jörg Duppré, Präsident des Landkreistags. Noch im November müssten Gespräche mit allen Beteiligten beginnen, damit die vom Minister versprochenen Änderungen im nächsten Jahr greifen könnten. Man könne nicht so lange warten, bis eine Kommission zu Ende getagt und Ergebnisse vorgelegt habe.

Rösler hatte vor einer Woche schon mit den Bundesländern über das Thema Ärztemangel verhandelt - allerdings ohne greifbares Ergebnis. Die Länder hatten dabei konkrete Vorschläge gemacht, wie der Mangel behoben werden könnte. Unter anderem verlangen sie eine detailliertere Planung, wo und wie Ärzte sich niederlassen können, und sie wollen dabei ein Mitspracherecht haben. Rösler blockte diese Forderungen zunächst ab und schlug vor, eine Kommission einzurichten. In der ersten Jahreshälfte 2011 soll daraus dann ein Gesetz zur ärztlichen Versorgung werden.

„Kommunen und Länder müssen an der ärztlichen Bedarfsplanung beteiligt werden, um Unterversorgung künftig zu verhindern“, unterstützt Landkreistags-Präsident Duppré die Forderung der Länder. Seine Organisation vertritt alle 300 Landkreise in Deutschland. „Die Kommunen und die Länder wissen am besten, wo welche Ärzte gebraucht werden“, sagt Duppré. Sie seien ohnehin schon an der Planung von Krankenhäusern beteiligt und hätten die Verantwortung für den Rettungsdienst.

Auch der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, verlangt ein Mitspracherecht. „Die Kommunen haben eine Gesamtverantwortung für die Bürger. Je direkter wir bei der ärztlichen Bedarfsplanung eingebunden sind, desto besser.“

Nach Angaben des Städte- und Gemeindebunds fehlen auf dem Land in den nächsten fünf Jahren rund 20.000 Ärzte. Schon jetzt müsse ein Hausarzt in dünn besiedelten Gebieten mehr als doppelt so viele Einwohner versorgen wie in der Stadt. „In ländlichen Räumen ist keine ausreichende Versorgung mit Haus- und Fachärzten mehr gewährleistet“, bilanziert Landsberg. Die Situation verschlechtere sich noch, wenn viele Ärzte demnächst in den Ruhestand gingen. Eine älter werdende Gesellschaft sei aber auf mehr medizinische Versorgung direkt am Wohnort angewiesen.

Mit gleichen Argumenten macht die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) seit einiger Zeit auf den fehlenden Nachwuchs bei Ärzten aufmerksam. KBV-Chef Andreas Köhler sagt, dass allein 7.000 Hausärzte bis 2020 fehlen würden. Gesundheitsminister Rösler selbst verwies vergangene Woche auf das hohe Durchschnittsalter der niedergelassenen Ärzte von 55 Jahren.

Große Einigkeit herrscht auch - zumindest vordergründig - bei den Lösungsmöglichkeiten. So sollen nicht mehr unbedingt die Grenzen von Gemeinden oder Landkreisen den Ausschlag dafür geben, wo sich welche Ärzte niederlassen können. Ziel müsse der „tatsächliche Versorgungsbedarf“ sein, fordern zum Beispiel Städte und Gemeinden. Dieser Bedarf orientiert sich, das sehen die Bundesländer ähnlich, etwa am Alter der Bevölkerung. Länder und Kommunen wollen auch die Zusammenarbeit zwischen Arztpraxen und Krankenhäusern verbessern. Außerdem könnten sich mehrere Ärzte verschiedener Fachrichtungen eine Praxis teilen - ein Vorschlag, der auch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung selbst kommt. Auch finanzielle Anreize für Ärzte, die sich in dünn besiedelten Gebieten niederlassen, werden diskutiert.

Aus Sicht der Krankenkassen, die diese Ausgaben möglicherweise zahlen müssten, läuft die Diskussion in die falsche Richtung. „Weite Teile Deutschlands sind nach wie vor erheblich durch ärztliche Überversorgung geprägt“, sagt Herbert Reichelt, Vorstandschef des AOK-Bundesverbands. „Wenn diese Überversorgung auch nur ein Stück abgebaut würde, könnte das dadurch eingesparte Geld genutzt werden, die bestehenden Engpässe im ländlichen Raum zu beseitigen.“ Dafür brauche man keine weitere Kommission, sondern mehr Möglichkeiten für Verträge mit Ärzten.

Artikel aus der „Welt“ vom 01.11.2010

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