Kommunen können nicht allein die Armutszuwanderung in Europa lösen

Kommunen können nicht allein die Armutszuwanderung in Europa lösen

Arno Bache/pixelio.de

WDR5

Die Sorge, dass Bulgaren und Rumänen ab 2014 den deutschen Arbeitsmarkt überrennen und die Sozialversicherung überlasten, ist groß. Aber ist sie auch berechtigt? Zum Thema begrüße ich Gerd Landsberg, er ist der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Einen schönen guten Morgen.

Dr. Landsberg

Guten Morgen.

WDR5

Herr Landsberg, Sie sagen, die Kommunen könnten aus eigener Kraft den zu erwartenden Ansturm aus Südosteuropa nicht bewältigen. Weshalb ist Ihres Erachtens mit einem Ansturm zu rechnen?

Landsberg

Die Freizügigkeit, die Sie beschrieben haben, wird nach Schätzung der Bundesagentur für Arbeit etwa zur Einwanderung von 180.000 bis 200.000 Menschen nach Deutschland führen. Wir haben übrigens jetzt schon 300.000 Personen aus Bulgarien und Rumänien, die weitgehend integriert sind. Aber es ist natürlich nicht auszuschließen, dass mit diesen Personen auch eine Vielzahl von Personen kommt, die wir unter die so genannte Armutseinwanderung fassen. Das sind Menschen, die zu Hause unter schwersten Bedingungen leben. Einmal ein Beispiel: Die Sozialhilfe in Rumänien beträgt 25 Euro im Monat. Davon können Sie auch dort nicht leben. Die haben ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Sie werden diskriminiert, sie sind meistens bildungsfern und kommen eben nach Deutschland. Und das wird für die Städte zunehmend ein Problem, weil unsere herkömmlichen Konzepte zur Integration, wie wir mit Ausländern umgehen, mit diesen Gruppen ganz schwer umzusetzen sind. Sie sind sehr misstrauisch gegenüber dem Staat und haben eben auch schlechte Erfahrungen gemacht. Ich glaube nicht, dass die Kommunen in der Lage sind, die Armutszuwanderung in Europa zu lösen.

 WDR5

Aber Anspruch auf Sozialhilfe gibt es für die Menschen, die Sie gerade beschrieben haben, die Armutsflüchtlinge, bei uns in Deutschland auch nicht automatisch?

Landsberg

Das ist richtig. Wir haben in § 7 des Sozialgesetzbuches II die Regelung, wer nur hierherkommt, um Sozialhilfe zu beziehen, der hat grundsätzlich keinen Anspruch. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir diese Menschen verhungern lassen dürfen. Natürlich bekommen diese Menschen von uns das Existenzminimum. Diese Regelung, die ich gerade beschrieben habe, ist allerdings umstritten. Das ist ja immer so: zwei Juristen, drei Meinungen. Das Bundessozialgericht hat die Regelung jetzt dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung der EU-Konformität vorgelegt und man muss einmal abwarten, wie dessen Entscheidung aussieht.

WDR5

Wenn jetzt die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kraft treten wird, kann das oder könnte das auch zur Legalisierung der bisherigen Arbeitssituation führen. Also einen Teil der Zuwanderer auch aus Bulgarien und aus Rumänien, die schon da sind, arbeiten ja als Scheinselbständige z. B auf den Baustellen?

Landsberg

Das wäre sicherlich der positive Effekt, auf den wir auch setzen. Schon jetzt können diese Personen kommen und sagen, ich möchte als Straßenmusikant mein Geld verdienen oder ich bin selbständig. Nur häufig ist das, wie Sie das richtig beschreiben, eine Scheinselbständigkeit. Insofern kann das auch einen positiven Effekt auslösen. Ich weise auch gerne darauf hin: Die Diskussion, die wir beide jetzt hier führen, die haben wir übrigens auch geführt, als die Freizügigkeit eingeführt wurde für die Polen. Da haben wir auch gesagt, die ganzen Polen werden nach Deutschland kommen. Das ist so nicht eingetreten. Wobei man zugegebenermaßen sagen muss, die wirtschaftliche Situation von Polen war immer eine ganz andere als Sie sie jetzt in Rumänien oder Bulgarien haben.

WDR5

Welche Lösungsansätze haben die Kommunen inzwischen jetzt selber erarbeitet. Wie bereitet man sich auf das vor, was künftig jetzt im kommenden Jahr als Herausforderung da sein müsste, könnte?

Landsberg

Es gibt Konzepte, mit welchen man versucht, diese Menschen zu erreichen. Es gibt eine zusätzliche Begleitung insbesondere für die Kinder in den Schulen. Wir versuchen auch, die Wohnsituation zu verbessern. Teilweise beuten natürlich auch Deutsche diese Menschen aus, das muss man deutlich sagen. Wir sind aber auch der Ansicht, dass das nicht ein kommunales Problem alleine sein kann und darf. Und wir glauben, dass auch die Europäische Union gefordert ist. Sie investiert übrigens enorme Infrastrukturmittel in diese Länder und dann muss man das an Bedingungen knüpfen, dass die Lebensverhältnisse für diese Menschen besser werden. Die kommen ja nicht hierher, weil Deutschland so schön ist, sondern sie kommen hierher, weil sie in bitterer Armut leben und es ist somit auch eine Aufgabe der Kommission, dafür zu sorgen, dass das besser wird. Zum Beispiel besteht eigentlich eine Krankenversicherungspflicht. Ein Großteil dieser Personen ist nicht krankenversichert, was erhebliche Kosten verursacht. Da kann man auch einmal darüber reden, müssten die Krankenkosten dann nicht von den entsprechenden Staaten, aus denen diese Menschen stammen, finanziert werden. Die Mitgliedschaft in der EU hat ja auch Pflichten und hin und wieder muss man vielleicht solche Staaten an diese Pflichten deutlich erinnern.

WDR5

Das wird allerdings nicht so schnell gehen. Gibt es Unterstützung vom Bund?

Landsberg

Ich gehe davon aus, dass wir das besprechen werden. Die Länderinnenminister und der Bundesinnenminister haben vereinbart, Anfang des Jahres einen so genannten Unterbringungs- oder Asylgipfel zu veranstalten. Da werden wir ganz sicherlich auch das Thema Armutszuwanderung und die gerade erörterten Probleme ansprechen. Und nicht nur ansprechen hoffe ich, sondern auch Lösungsansätze entwickeln.

WDR5

Ab dem 1. Januar dürfen Bulgaren und Rumänen nach Deutschland kommen. Viele sind jetzt schon da, aber dann gilt die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Zu dem, was auf die Kommunen zukommt, war das Gerd Landsberg, er ist der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

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