Bildung

Bedarf an Alphabetisierung und Deutscherwerb von Geflüchteten weiterhin groß

Diese zeigen, dass zum Zeitpunkt der Einreise etwa 34 Prozent der Geflüchteten im lateinischen Schriftsystem alphabetisiert waren, während 51 Prozent Zweitschriftlernende und 15 Prozent Erstschriftlernende waren. Etwa ein Drittel hatte bis zum Befragungszeitpunkt in der zweiten Hälfte 2016 bereits an einem Integrationskurs teilgenommen. Auch unter den Geflüchteten, die zu dem Zeitpunkt (noch) nicht an einem Integrationskurs teilgenommen hatten, stellen Erst- und Zweitschriftlernende noch knapp zwei Drittel der Geflüchteten. Die Ergebnisse zeigen, wie groß der Bedarf an Alphabetisierungs- und vor allem Zweitschriftlernerkursen weiterhin ist. Aus kommunaler Sicht sind Korrekturen am aktuellen Integrationskurssystem notwendig, um dem individuellen Integrationsbedarf des einzelnen Zuwanderers besser Rechnung zu tragen und eine bessere Verzahnung mit weiteren Integrationsangeboten zu erreichen.

Die zehnte BAMF-Kurzanalyse geht auf die Veränderungen der Teilnehmerstruktur in Integrationskursen infolge der erhöhten Fluchtmigration in den letzten Jahren ein. Die Verschiebungen in den Herkunftsländern der Kursteilnehmenden, von EU-Staaten hin zu Drittstaaten, zeigen sich in der Sprache sowie in der Bildungs- und Lernbiografie der Teilnehmenden: Viele der neuen Teilnehmenden sind so genannte Zweitschriftlernende. Sie verfügen in der Regel über Bildungs- und Lernerfahrung und können in ihrer Muttersprache lesen und schreiben, jedoch nicht im lateinischen Alphabet. Auch gibt es Menschen, die in keiner Sprache lesen oder schreiben können und kaum Bildungs- oder Lernerfahrung mitbringen. Für diese Personen ist das Erlernen des lateinischen Schriftsystems im Rahmen des Deutscherwerbs ihre Erstalphabetisierung (Erstschriftlernende). Erstschriftlernende werden im Rahmen des Integrationskursangebots im Alphabetisierungskurs unterrichtet. Das Bundesamt hat auf den veränderten Bedarf der Teilnehmenden reagiert. So wird für Zweitschriftlernende seit Februar 2017 ein weiterer Spezialkurs, der sogenannte Zweitschriftlernerkurs, angeboten. Zuvor wurden diese zusammen mit Erstschriftlernenden in den Alphabetisierungskursen unterrichtet.

Die Kurzanalyse 01/2018 basiert auf Daten der „IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten 2016“, bei der in der zweiten Jahreshälfte 2016 etwa 4.500 Geflüchtete befragt wurden, die zwischen 2013 und 2016 nach Deutschland gekommen sind und einen Asylantrag gestellt haben.

Zu den zentralen Ergebnissen zählen:

•    Zum Zeitpunkt der Einreise waren etwa 34 Prozent der Geflüchteten lateinisch alphabetisiert, 51 Prozent Zweitschriftlernende (d. h. in nicht-lateinischem Schriftsystem alphabetisiert) und 15 Prozent Erstschriftlernende (d. h. in keinem Schriftsystem alphabetisiert).
•    Bei der Einreise waren in allen drei Gruppen weder schriftliche noch mündliche Deutschkenntnisse in nennenswertem Ausmaß vorhanden.
•    Weniger als ein Fünftel der Erstschriftlernenden hatte bis zum Befragungszeitpunkt in der zweiten Hälfte 2016 bereits an einem Integrationskurs teilgenommen. Bei Zweitschriftlernenden betrug dieser Anteil 33 Prozent und bei lateinisch Alphabetisierten 39 Prozent.
•    Den stärksten Zuwachs ihrer selbsteingeschätzten Deutschkenntnisse verzeichneten lateinisch Alphabetisierte, den niedrigsten Erstschriftlernende.
•    Integrationskursabsolventen, die bei Einreise lateinisch alphabetisiert waren, gaben zum Befragungszeitpunkt überwiegend gute Deutschkenntnisse an. Erst- und Zweitschriftlernende hatten größtenteils zwar grundlegende Kenntnisse erworben, jedoch erscheint für das Erreichen einer selbstständigen Sprachverwendung eine Anschlussförderung über den Integrationskurs hinaus insbesondere für Erstschriftlernende sinnvoll und wichtig.
•    Auch unter den Geflüchteten, die zum Befragungszeitpunkt (noch) nicht an einem Integrationskurs teilgenommen hatten, stellen Erst- und Zweitschriftlernende zusammen noch knapp zwei Drittel der Geflüchteten. Die Ergebnisse weisen somit auf einen weiterhin großen Bedarf an Alphabetisierungs- und vor allem Zweitschriftlernerkursen hin.

Die BAMF-Analyse ist unter diesem Link  oder im Anhang abrufbar.

Anmerkung:

Die Studie des BAMF bekräftigt die kommunale Einschätzung, dass es einem Großteil der Geflüchteten nach wie an sprachlichen als auch an beruflichen Qualifikationen fehlt. Dies schlägt sich auch in den Deutschtests für Zuwanderer nieder: Die Teilnahme- und Abschlussquoten auf Sprachniveau B1 sind dramatisch gesunken. Die Integration in die Gesellschaft wird zur Marathonaufgabe, die Jahre dauern wird und die Kommunen vor erhebliche gesellschaftliche als auch finanzielle Herausforderungen stellt.

Die aktuelle Ausrichtung des Integrationskurssystems hin zu einer möglichst schnellen Vermittlung in die Integrationskurse muss zugunsten von Kursqualität, Lernerfolgen und einer sinnvollen Abstimmung mit weiteren Integrationsangeboten neu justiert werden, damit Lösungen gefunden werden können, die dem individuellen Integrationsbedarf des einzelnen Zuwanderers besser Rechnung tragen. In Deutschland wird derzeit an zu starren Integrationsmustern festgehalten, die die individuellen Kompetenzen nicht ausreichend berücksichtigen und andere Integrationsangebote vor Ort unberücksichtigt lassen.

Zur Forcierung einer ganzheitlichen Integration und breiten gesellschaftlichen Teilhabe sollte neben sprach- und berufsorientierenden Kursen und dem weiteren Ausbau von Alphabetisierungskursen auch die Teilnahme an kulturellen, politischen und gesundheitlichen Bildungsangeboten ermöglicht werden. Vermitteln könnten hier am besten die kommunalen Stellen, wie Jobcenter, Ausländer- oder Sozialbehörden, vor Ort. In einigen Kommunen, so bspw. in Bayern, entstehen Zentren für Integration und Berufseingliederung, die anerkannte Asylbewerber und Personen mit dauerhaftem Duldungsstatus in dieser Einrichtung durch pädagogisch geschultes Personal modular mit der deutschen Sprache, den Kulturtechniken und sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen vertraut machen. Auf der Grundlage einer nachhaltigen Partnerschaft zwischen dem Bund, Ländern, Kommunen und den Volkshochschulen können diese im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegenden Angebote ausgebaut werden.

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