Interview

„Städte sind längst an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit“

Heller: Einzelne Städte sind nicht mehr in der Lage, neue Flüchtlinge aufzunehmen. Ist die Grenze der Aufnahmefähigkeit bei den Städten und Kommunen inzwischen erreicht?

Landsberg: Die Städte und Gemeinden sind längst an der Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit. Wir haben inzwischen mehr als eine Million Menschen hier allein aus der Ukraine und wir hatten im vergangenen Jahr über 220.000 Asylanträge in Deutschland. Das sind über 45 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit sind die Zahlen insgesamt höher, als sie es in der sogenannten Flüchtlingskrise 2015/2016 waren.

Heller: Ist das von den Städten und Gemeinden unter den gegebenen Bedingungen noch zu bewältigen? Was sollte der Bund tun?

Landsberg: Wir müssen damit rechnen, dass diese Zahlen nicht sinken, sondern zunehmen. Nicht zuletzt, weil die richtig schlimmen Wintermonate in der Ukraine erst noch kommen. Deshalb könnte der Flüchtlingsstrom von dort weiter steigen. Wie brauchen daher eine große umfassende Initiative von Bund und Ländern, um die Zahl der Plätze in den Einrichtungen zur Erstaufnahme auszuweiten. Das, was wir jetzt haben, reicht nicht. Wenn der Bund immer sagt, er stelle eigene Immobilien dafür zur Verfügung, dann ist das zwar in Ordnung, doch sind die in der Regel in einem Zustand, dass man da kaum schnell Leute unterbringen kann. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass die Zahlen noch drastisch zunehmen. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir uns längerfristig auch noch darauf einstellen, dass Flüchtlingsbewegungen als Folge von Klimawandel und neuen Kriegen ebenfalls auf uns zukommen. Das wird also ein Dauerthema bleiben. Wir brauchen daher einen Grundbestand an Unterbringungsmöglichkeiten, um damit umgehen zu können. 

Heller: Wie sieht es abseits dessen mit der finanziellen Handlungsfähigkeit von Städten und Kommunen in diesen Krisenzeiten aus?

Landsberg: Die Steuereinnahmen waren im letzten Jahr noch vergleichsweise gut – was auch mit der Inflation zu tun hat. Ich denke aber, das war nur die Ruhe vor dem Sturm. Bekommen wir eine Rezession, was zum Beispiel die Wirtschaftsweisen glauben, dann wird das zu drastischen Einnahmeverlusten der Kommunen führen, vor allem, weil unsere wichtigste Einnahmequelle, die Gewerbesteuer, sehr konjunkturabhängig ist. Zugleich werden die Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger an die Kommunen nicht weniger – ich spreche von Schulen, Kitas und digitalen Bürgerdiensten. Zudem leiden die Städte und Gemeinden selbst als große Energieverbraucher unter den höheren Preisen für Wärme und Strom und als Investoren unter gestiegenen Baupreisen. Schließlich sind da noch die Lohnforderungen der Gewerkschaften für unseren Bereich, die bei 10,5 Prozent liegen – das ist schon eine beeindruckende Größenordnung.

Heller: Müssen die Städte und Kommunen deshalb ihre eigenen Einnahmequellen erhöhen, etwa höhere Gebühren verlangen?

Landsberg: Gebühren können sie nicht einfach erhöhen, nur um mehr Einnahmen zu erzielen. Das können sie nur, um einen höheren Aufwand aufzufangen, also kostendeckend. Der Spielraum ist beschränkt und damit bleiben Gebühren ein eher bescheidener Faktor, an dem man drehen kann. Entscheidend für uns ist die Gewerbesteuer, doch da stehen sie als einzelne Kommune eben unter einem erheblichen Wettbewerbsdruck. Sie können nicht einfach die Hebesätze beliebig anheben. Man muss hier vorsichtig agieren, ebenso, wie bei der neuen Grundsteuer. Das Fazit ist: Die Spielräume, durch eigene Operationen die Einnahmen zu erhöhen, sind für die Städte und Gemeinden letztlich sehr begrenzt.

Heller: Noch ein ganz anderer Bereich: Stimmt die These, dass die Kommunen angesichts der Gefahr von Hackerangriffen das schwächste Glied sind in Sachen IT-Sicherheit?

Landsberg: Wir sind sicher nicht das schwächste Glied, aber wir erbringen die meisten Leistungen. Nirgends werden so viele Verwaltungsvorgänge über IT bearbeitet wie in den Kommunen. Demzufolge sind wir natürlich ein interessantes Ziel für Angreifer. Aber IT-Sicherheit ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Es wird immer solche Angriffe geben. Ich denke, wie sind da wach und versuchen uns dagegen zu wappnen. Dass wir uns schützen müssen, haben die meisten Städte und Gemeinden begriffen.

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