Kultur vor Ort

Kulturelle Vielfalt in den Städten und Gemeinden

Kulturelle Vielfalt ist ein besonderes Kennzeichen Deutschlands. In den Städten und Gemeinden wird die „Kultur für alle“ und die „Kultur von allen“ gefördert. „Hochkultur“ und „Breitenkultur“ sind keine Gegensätze, sondern stehen nebeneinander und ergänzen sich. Die Kulturangebote reichen von den Opernhäusern und Theatern sowie Museen mit überregionaler Bedeutung bis zu den Heimatmuseen und -theatern, soziokulturellen Einrichtungen, Bibliotheken, Musikschulen, Volkshochschulen oder Jugendkunstschulen, Heimat- und Kulturvereinen, Laienchören, Orchestern, Spielmannszügen oder Theatergruppen. In ländlichen Räumen kommt der Soziokultur eine besondere Rolle zu. Durch Musikevents, Skulpturenparks oder Theaterprojekte können auch kleinere Städte und Gemeinden ein überregionales kulturelles Profil bilden. In Städten und Gemeinden findet man Künstlerkolonien oder Kommunen werden explizit zum Künstlerdorf.

Dritte Orte und soziokulturelle Zentren

In ländlichen und/oder strukturschwachen Räumen sind die Herausforderungen für Kulturangebote bzw. -einrichtungen besonders groß. Vor diesem Hintergrund sind Förderprogramme sinnvoll, die die Entwicklung und Umsetzung neuer Konzepte für die kulturelle Infrastruktur in ländlichen Regionen fördern. So können Testlabore entstehen, in denen partizipative Ideen für einen Dritten Ort als zentraler Kultur-Knotenpunkt erprobt werden oder Bürger*innen ein leerstehendes Gebäude zu einem lebendigen Kultur- und Begegnungsort entwickeln mit Platz für eine Bücherei, Kinovorstellungen, Kulturveranstaltungen und einem Café.

Soziokulturelle Zentren können ein wesentlicher Baustein der kulturellen Angebote in ländlichen Räumen und bei der Gestaltung der Dritten Orte sein. Sie dienen nicht der reinen „Konsumtion“, sondern ermöglichen eine aktive Teilhabe. Die Künstlerstadt Kalbe in Sachsen-Anhalt belebt künstlerisch und kulturell leerstehende Immobilien und ist so ein gutes Beispiel, Leerständen in den Städten zu begegnen.

Kulturpolitik gemeinsam gestalten

Kulturelle Einrichtungen und Angebote müssen und sollen nicht immer ausschließlich von den Kommunen angeboten und finanziert werden. In den Städten und Gemeinden spielen die kulturellen Angebote der Vereine und Gruppen bis zu einzelnen Künstlern oder Künstlergruppen eine wichtige Rolle. Es sollten die Möglichkeiten der Vernetzung genutzt werden, um ein attraktives kulturelles Angebot zu erhalten. So gibt es Beispiele, dass Staatstheater mit einem freien Ensemble und Einwohnern einer kleineren Stadt ein gemeinsames Theaterprojekt initiiert und erfolgreich aufgeführt haben. Engagierte Einwohner und Vereine sind keine Lückenbüßer für eine unzureichende kommunale Kulturförderung, sondern Mitgestalter und Partner einer lebendigen lokalen und regionalen Kulturlandschaft. In dem Engagement steckt großes Potential für qualitatives Engagement, um das kulturelle Leben zu stärken und gemeinschaftlich weiterzuentwickeln und sollte von den Kommunen unterstützt werden. Aus der Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung erwachsen viele Möglichkeiten, Vorhaben zu realisieren, welche die Kraft einzelner Personen oder Institutionen bei weitem übersteigen würden.

Kulturplanung sollte deshalb nicht isoliert erfolgen, sondern Teil einer integrierten Sozialraumplanung sein. Ziel muss es sein, dass Kommunen im Dialog mit den Kulturschaffenden und mit den Bürger*innen strategische Ziele für die Kulturpolitik definieren und Maßnahmen entwickeln, um Kunst und Kultur in ihrem Ort oder ihrer Region fit für die Zukunft zu machen. Wichtig ist, dass vor Ort Ansprechpartner*innen für die Gestaltung von Kunst und Kultur zur Verfügung stehen.

Kulturelle Bildung stärken

Kulturelle Bildung ist eine tragende Säule der Kulturentwicklungsplanung der Städte und Gemeinden. Grundsätzlich umfassen die Angebote der kulturellen Bildung alle Altersgruppen, besonderes Augenmerk wird auf die Kinder und Jugendlichen gelegt. So wird in vielen Kommunen ein Netzwerk zwischen Schulen und Kultureinrichtungen geknüpft, damit den Kindern und Jugendlichen schon während der Schulzeit Austausch und Begegnung mit den Akteuren der Kultur möglich wird. Hierdurch könnten auch Kinder und Jugendliche aus nicht kulturaffinen Milieus erreicht und niedrigschwellig an kulturelle Bildungsangebote herangeführt werden. In den Städten und Gemeinden sind deshalb Bibliotheken, Museen, aber auch Musikschulen, Theater oder soziokulturelle Zentren Bildungspartner der Schulen geworden. So unterstützen Bibliotheken die Schülerinnen und Schüler bei der Lesemotivation, führen Lesewettbewerbe durch und bilden Lesepaten aus. Die Zusammenarbeit mit Musikschulen gestaltet Möglichkeiten, Schülerinnen und Schülern die gesamte Palette der musikalischen Ausdrucksformen nahezubringen oder Musicals oder Tanztheater einzustudieren. So können Schulen auch Eckfeiler des kommunalen kulturellen Lebens sein. Museen müssen sich für die kulturelle Bildung öffnen und sollten unter dem Stichwort „Lernort Museum“ Kooperationsprojekt mit den Schulen vor Ort und in der Region entwickeln.

Kulturelle Teilhabe fördern

Ein zentrales Anliegen der kommunalen Kulturpolitik ist es, Hürden beim Zugang zu Kultureinrichtungen abzubauen und damit eine größere gesellschaftliche Teilhabe an den durch Kultur vermittelten Fragestellungen, Themen und Inhalten zu ermöglichen. Dabei gilt grundsätzlich, dass Barrieren, die einem Besuch von Kultureinrichtungen entgegenstehen, vielfach nicht in erster Linie finanzieller Natur sind. Zahlreiche Museen in Deutschland führen bereits jetzt überaus erfolgreiche Veranstaltungen und Programme zur Kulturvermittlung auch an bildungsbenachteiligte Menschen sowie zur Gewinnung zusätzlicher Besucher durch. Am erfolgversprechendsten ist es, Kultureinrichtungen stärker als bisher in das Bildungssystem zu integrieren.

Kulturwirtschaft und Kulturtourismus wichtige Standortfaktoren

Die Kulturwirtschaft in Deutschland hat sich auch unter dem Begriff der Kreativwirtschaft zu einem wichtigen Wirtschaftsbereich entwickelt. Selbständige Künstler*innen und private Kultureinrichtungen sind Teil der kommunalen Kulturszene. Viele kulturwirtschaftliche Aktivitäten sind nicht standortbezogen, d. h. sie können sowohl in der Stadt wie auch auf dem Lande angesiedelt werden. Dies gilt insbesondere für die verschiedenen Spielarten der Medienkultur, die eine zunehmende Bedeutung gewinnen. Der Tourismus in Deutschland wächst nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Freizeitmöglichkeiten der Menschen stetig. Der Kulturtourismus mit dem Erleben der regionalen Kultur sollte noch stärker genutzt werden. Viele dieser Kulturstätten liegen im ländlichen Raum, z. B. Krimiland Eifel, die Koppelschleuse in Meppen, die kulturelle Landpartie im Wend-land oder das Kulturprojekt VIA Erlebnisraum Römerstraße des Landschaftsverbandes Rheinland. Nimmt man Kulturwirtschaft und Kulturtourismus als Teile der Wirtschaftsförderung ernst, sollten vor Ort strategische Netzwerke gegründet werden, die sich aus Kulturanbietern und anderen Akteuren, z. B. der Kommunalverwaltung (Tourismusbüro), Hotellerie, Gastronomie oder Einzelhandel zusammensetzen könnten. Städte und Gemeinden sind gut beraten, Rahmenbedingungen für das Zusammenwirken von Wirtschaft und Kultur vor Ort zu schaffen. Über Kulturplattformen können Kulturangebote einem größeren Publikum bekannt gemacht werden und so den Zugang verbreitern.

Finanzielle Ausstattung sichern

Rund 45 Prozent der öffentlichen Ausgaben für die Kultur werden von den Kommunen aufgewendet. Die Haushaltslage der Kommunen bleibt deshalb nicht ohne Auswirkungen auf die Förderung der örtlichen Kulturangebote. Haushaltsnotlagen können allerdings auch als Chance begriffen werden, die Strukturen der Kulturangebote vor Ort kritisch zu hinterfragen und Synergieeffekte durch stärkere Kooperation und Zusammenarbeit von Kultureinrichtungen zu nutzen. Nicht zuletzt durch die Förderpolitik von Bund und Ländern findet sich ein Großteil der Kultureinrichtungen in den größeren Städten. Die Kultur „auf dem Lande“ oder in den Klein- und Mittelstädten steht oft im Abseits des kulturpolitischen Diskurses. Dies widerspricht dem Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Die Förderung darf sich deshalb nicht auf großstädtische Leuchtturmprojekte, die teilweise hoch subventioniert sind, konzentrieren. Es gilt die kulturelle Vielfalt und damit die Breite des Angebots in den Städten und Gemeinden zu fördern. Förderprogramme müssen auch für ländliche Gebietskulissen ausreichend zur Verfügung stehen.

Das Wesen der kommunalen Kulturpolitik liegt in der Freiwilligkeit der Aufgabe, da nur so die notwendige Vielfalt erhalten bleibt. Die kulturellen Angebote und Einrichtungen weisen so immer einen Bezug auf die besonderen Bedingungen vor Ort auf. Der Zugang zu kulturellen Angeboten und die notwendige Infrastruktur sind auf der anderen Seite ein unverzichtbarer Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge.

Autor: Uwe Lübking, DStGB-Beigeordneter a. D. für Kultur

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