Keine Helmtragepflicht durch zivilrechtliche „Hintertür“
Die Diskussion über das Tragen eines Fahrradhelmes taucht immer wieder, gerade anlässlich gerichtlicher Auseinandersetzungen über die Frage des Mitverschuldens von Personenschäden auf. Entgegen vieler anderer Oberlandesgerichte hatte das OLG Schleswig-Holstein 2013 ein Mitverschulden einer Fahrradfahrerin an den erlittenen Schädelverletzungen erkannt, weil sie keinen Helm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe (sogenanntes Verschulden gegen sich selbst). Ein Helm hätte nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen die Kopfverletzung der Fahrradfahrerin in einem gewissen Umfang verringern können.
Die Fahrradfahrerin ging in Berufung und der Bundesgerichtshof hob das Urteil des OLG mit Urteil vom 17. Juni 2014 (Az: VI ZR 281/13) auf. In der Pressemitteilung des BGH heißt es: „Das Nichttragen eines Fahrradhelms führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens. Für Radfahrer ist das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben. Zwar kann einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein, wenn er diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben. So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm. Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichttragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann, war nicht zu entscheiden.“
Der BGH klärt damit eindeutig, dass es derzeit angesichts der nach wie vor geringen allgemeinen Helmtragequote keine untergesetzliche „haftungsrechtliche“ Verpflichtung gibt, einen Fahrradhelm zu tragen. Es ist keine Sorglosigkeit, wenn Fahrradfahrer darauf verzichten, einen Fahrradhelm zu tragen.
Unabhängig davon, dass ein Fahrradhelm vor schweren Kopfverletzungen schützen kann, sind die wesentlichen Risikofaktoren für schwere Verletzungen bei den Autos angesiedelt. Eine Untersuchung des Gesamtverbandes der Versicherungen (GDV hat ergeben, dass die konstruktiven Verbesserungen bei Autos für den Fußgängerschutz für Radfahrer weitgehend wirkungslos sind. Den größten Sicherheitsgewinn brächte ein automatischer Notbremsassistent, der Fahrradfahrer zuverlässig erkennt und die Geschwindigkeit schnell und deutlich reduziert. Eine Reduzierung der Aufprallgeschwindigkeit um 20 km/h reduziert das Kopfverletzungsrisiko bei Erwachsenen und Kindern am stärksten – und das für alle Fahrzeugfronten. Eine Serieneinführung sei daher vorteilhaft (http://www.gdv.de/2015/09/fahrradfahrer-profitieren-kaum-vom-fussgaengerschutz-am-auto/).
Verkehrsbehörden können die Verkehrssicherheit für Radfahrer erhöhen, indem sie die max. zulässige Geschwindigkeit senken. Die Verkehrsministerkonferenz vom Oktober 2015 hatte den Bund aufgefordert, die Straßenverkehrsordnung so zu ändern, dass die Anordnung von Tempo 30 in vielen Fällen leichter vorgenommen werden könnte. Eine entsprechende Änderung steht noch aus.
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