Feuerwehren als kommunale Einrichtungen der Daseinsvorsorge

Das Papier, das zwischenzeitlich den Innenministern übersandt worden ist, sieht hierfür angesichts des bisher guten Zusammenwirkens der Organisationen keine Notwendigkeit, sondern vielmehr eine Gefahr für die künftige Entwicklung der Feuerwehren, auch mit Blick auf die notwendige Rekrutierung von freiwilligen Helfern. Die Überschrift des Papiers lautet: „Erhalt der Identität der Feuerwehren als kommunale Einrichtungen der Daseinsvorsorge - Differenzierte Aufgabenwahrnehmung von Feuerwehren, Katastrophenschutz und Polizei in der Bundesrepublik Deutschland“.

Im Einzelnen heißt es in dem Papier, das im Internet unter www.agbf.de (unter AG- Zivil- und Katastrophenschutz) zur Verfügung steht, dann weiter:

„In mehreren Ländern wurden aufgrund von Änderungen der Verwaltungsstrukturen die polizeiliche und nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr im Bereich der Aufsichtsbehörden zusammengefasst. Hieraus erwachsen organisatorische, vor allem aber politische Probleme, welche die Verfügbarkeit, Wirksamkeit und öffentliche Akzeptanz der Feuerwehren und darüber hinaus aller im Katastrophenschutz mitwirkenden Organisationen gefährden. Darüber hinaus droht insbesondere auch eine Schwächung des für den Katastrophenschutz so wichtigen bürgerschaftlichen Engagements.

Kernproblem ist der Verlust der individuellen und differenzierten Wahrnehmung der Feuerwehr als selbständiger, nichtpolizeilicher und kommunaler Bereich der staatlichen Vorsorge und Fürsorge. Mit der Integration der staatlichen Aufsicht über den Bereich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr in die Strukturen der Polizei entsteht in der Öffentlichkeit und bei den Einsatzkräften selbst der Eindruck, die Feuerwehr - und der Katastrophenschutz insgesamt - sei Teil der Polizei und damit auch Teil der staatlichen Exekutivgewalt. Dies ist verfassungsrechtlich bedenklich, historisch unsensibel und gesellschaftlich nicht gewollt. Die administrative Verknüpfung mit der Polizei birgt darüber hinaus die politisch nicht zu unterschätzende Gefahr, dass Auftrag, Wirken und das Selbstverständnis der Einsatzkräfte im Katastrophenschutz konterkariert werden.

Mit den nachfolgenden Feststellungen weisen die deutschen Feuerwehren auf bereits offenkundig gewordene Risiken dieser landespolitischen Entscheidungen hin. Die deutschen Feuerwehren fordern die Landesregierungen sowie die auf Ebene der Kommunen und Länder handelnden Entscheidungsträger auf, die Strukturen zu erhalten bzw. wieder herzustellen, damit das bürgerschaftliche Engagement in der Gefahrenabwehr nicht weiter gefährdet wird.

Die Positionierung der deutschen Feuerwehren zielt ausdrücklich nicht auf die alltägliche operative Zusammenarbeit mit den Vollzugskräften der Polizei vor Ort, sondern auf die politischen Entscheidungen in den Landesregierungen.

Bei den nachfolgenden Ausführungen wird bei den Funktionsbeschreibungen aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur die männliche Form genannt. Alle Aussagen und Funktionsbezeichnungen gelten für weibliche Funktionsträgerinnen sinngemäß.

1. Die operative Zusammenarbeit zwischen den Feuerwehren, den übrigen im Katastrophenschutz mitwirkenden Organisationen und der Polizei funktioniert einwandfrei.

Die Einsatzkräfte der kommunalen Feuerwehren und der übrigen im Katastrophenschutz mitwirkenden Organisationen arbeiten tagtäglich gut und vertrauensvoll mit den örtlichen Vollzugskräften der Landespolizeien sowie der Bundespolizei zusammen. Die unterschiedliche staatliche Verankerung der verschiedenen Organisationen stellt dabei kein Hindernis dar. Dies gilt für Ballungsräume ebenso, wie für ländlich strukturierte Gebiete.

2. Polizei und Feuerwehr bzw. Katastrophenschutz sind völlig unterschiedliche Bereiche staatlicher Daseinsvorsorge.

Während die Polizei im Kern die Exekutive des Staates zur Durchsetzung seines Gewaltmonopols darstellt, liegen die Wurzeln der Feuerwehren sowie der Sanitäts- und Rettungsdienste im bürgerschaftlichen Engagement mit dem Ziel einer Selbsthilfe von Menschen für Menschen. Der Staat hat sich dieses bürgerschaftliche Engagement im Verlauf der letzten 150 Jahre zu Eigen gemacht, reglementiert und den kommunalen Gebietskörperschaften als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe bzw. als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung übertragen. Die Feuerwehren und die übrigen Einheiten der im Katastrophenschutz mitwirkenden Organisationen haben ihren bürgerlichen Charakter, ihren lokalen Bezug und ihr gesellschaftliches Wirken auf kommunaler Ebene bis heute bewahrt.

Während die Polizeiaufgaben durch hauptberufliche Vollzugsbeamte der Länder wahrgenommen werden, stützt sich die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr überwiegend auf eine Vielzahl ehrenamtlicher Helfer ab, welche unter der Führung und Leitung kommunaler Ehrenbeamter stehen.

Neben dem staatlichen Kernauftrag agieren die Feuerwehren und die übrigen im Katastrophenschutz mitwirkenden Organisationen als Verbände und Vereine in großem Umfang auch als Träger gesellschaftlicher oder kultureller Belange.

Bei einer Eingliederung der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr in die Strukturen der
Polizei droht der Verlust der Eigenständigkeit, der Identität, des Selbstverständnisses
sowie der gesellschaftlichen Akzeptanz. Dies kann zu einer substanziellen Gefährdung des gesamten Systems der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr führen. Beispielhaft sei hier auf die Problematik der dringend erforderlichen Nachwuchsgewinnung der Freiwilligen Feuerwehren hingewiesen: Die Feuerwehren sind bemüht, die Zahl der ca. 240.000 Jugendlichen in den Jugendfeuerwehren gegen den demographisch verursachten Mitgliederschwund zu halten und nach Möglichkeit weiter auszubauen. Die faktische Unterstellung der Jugendfeuerwehr mit ihrem jugendpflegerischen Anspruch unter die Aufsicht eines Polizeipräsidiums kann der Akzeptanz der Feuerwehr durch Jungendliche entgegenstehen.

Die Zusammenführung von polizeilicher und nichtpolizeilicher Gefahrenabwehr im
Sinne einer integrierten Aufgabenwahrnehmung einzelner Funktionsträger darf frühestens auf Ebene der politisch-gesamtverantwortlichen Komponente durch zivile Personen erfolgen.

3. Feuerwehr bzw. Katastrophenschutz sowie die Polizei sind gleichwertige Elemente der staatlichen Daseinsvorsorge.

Der Staat und seine Bürger brauchen sowohl die nichtpolizeilichen, als auch die polizeilichen Institutionen der Gefahrenabwehr. Hierbei darf es kein Über- bzw. Unterstellungsverhältnis der beiden staatlichen Funktionsbereiche geben.

Auch wenn allein die Zahl der Einsatzkräfte der Feuerwehren die Zahl der Polizeivollzugsbediensteten in Deutschland um mehr als das Dreifache übersteigt, hat es bei den Feuerwehren niemals den Anspruch gegeben, im Bereich der staatlichen Gefahrenabwehr eine führende Rolle einzunehmen oder gar die Polizei zu dominieren. Mit gleicher Entschiedenheit lehnen die Feuerwehren jedoch auch eine Dominanz der polizeilichen Gefahrenabwehr gegenüber den Einheiten der Feuerwehren und des Katastrophenschutzes ab.

In einigen Ländern der Bundesrepublik wurden die Bezirksregierungen als staatliche Mittelbehörden aufgelöst. Als Folge wurden oftmals die Funktion der oberen Katastrophenschutzbehörde sowie die Aufsicht über die Feuerwehren den Polizeipräsidien übertragen. Dies ist in der derzeitig gewählten Ausprägung für die Feuerwehren sowohl formell als auch fachlich nicht zu akzeptieren.

Eine Aufsicht oder gar ein Weisungsrecht gegenüber Feuerwehren und Katastrophenschutzorganisationen sollte allein deshalb nicht durch Polizeibeamte erfolgen, weil Polizeivollzugsbeamte eine Waffe tragen (dürfen) und dies mit der Aufgabenstellung und dem Selbstverständnis der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr unvereinbar ist.

Ferner wird es der Bedeutung der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr für die Funktionsfähigkeit des Staates nicht gerecht, wenn sie lediglich einen „polizeilichen Appendix“ darstellt, der den Verwaltungsabteilungen der (ehemaligen) Polizeipräsidien eingegliedert wird.

4. Feuerwehr bzw. Katastrophenschutz sowie die Polizei erfordern unterschiedliche Kompetenzen der handelnden und verantwortlichen Personen.

Die Feuerwehren sowie die Sanitäts- und Rettungsdienste haben überwiegend technische und medizinische Aufgabenstellungen, die ein technisch-naturwissenschaftliches bzw. medizinisches Fachwissen der Einsatzkräfte voraussetzen. Die Polizei hingegen hat überwiegend ordnungsbehördliche und ermittlungstaktische Aufgabenstellungen, die ein eher juristisch-geisteswissenschaftliches Fachwissen erfordern.

Die unterschiedlichen Kernkompetenzen machen eine Unterstellung des operativtaktischen Bereiches der Feuerwehren unter eine administrativ-organisatorische Führung der Polizei unmöglich bzw. gefährden das Niveau der Dienstleistung. Diese Aussage gilt uneingeschränkt auch für die ehrenamtliche Wahrnehmung von Einsatz- und Führungsfunktionen bei der Feuerwehr sowie bei den anderen Organisationen im Katastrophenschutz.

In den Polizeien der Länder ist das Element der Ehrenamtlichkeit so gut wie unbekannt. Die wenigen ehrenamtlichen Vollzugskräfte in den Reihen einiger Länder werden kaum wahrgenommen und haben inner- wie außerhalb der Polizei keine Relevanz. Es erscheint nicht sinnvoll, die Führung der meist ehrenamtlich tätigen Einsatzkräfte im Katastrophenschutz unter eine polizeiliche Administration zu stellen, die mit diesem tragenden Element der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr keine hinreichende Erfahrung hat.

Eine seitens der Landesregierungen eventuell verfolgte weitere Professionalisierung der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr darf nicht durch Übertragung von Aufgaben auf (ggf. aufgrund von Strukturänderungen bereits vorhandene) Polizeikräfte erfolgen, sondern muss durch Ausbildung entsprechender fachlich qualifizierter Führungskräfte der Feuerwehren realisiert werden.

5. Eine undifferenzierte Wahrnehmung von Feuerwehr bzw. Katastrophenschutz sowie der Polizei in der Bevölkerung kann den Staat in Krisensituationen destabilisieren.

In der Bevölkerung wird die Wahrnehmung der (polizeilichen) Eingriffsverwaltung und der (nichtpolizeilichen) Fürsorge des Staates durch technische oder medizinische Hilfe in Notlagen sehr differenziert gesehen. Eine Fusion beider Bereiche kann in Krisensituationen zur Destabilisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen. Bei Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Störern wurden und werden die Einsatzkräfte der Feuerwehr sowie des Sanitäts- und Rettungsdienstes (noch) überwiegend als neutral eingestuft. Die Rettung von Personen wird jedoch in dem Maße beeinträchtigt, wie sich die Einsatzkräfte selbst als Angriffsziel sehen müssen. Die zumeist ehrenamtlichen Einsatzkräfte im Bereich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr sind als Bürger bei gesellschaftlichen Kontroversen durchaus auf unterschiedlichen Seiten der Konfliktparteien zu finden. Eine zu enge Bindung an Polizeistrukturen schränkt die Einsatzkräfte in ihrem Denken und Handeln als Staatsbürger ein und kann ihr Engagement im Bereich der Gefahrenabwehr hemmen. In jedem Falle muss der Staat vermeiden, dass bei ehrenamtlichen Helfern des Katastrophenschutzes der Eindruck entsteht, sie könnten als „freiwillige Polizeireserve“ zum Einsatz kommen. Konsequenter Weise trifft das Hessische Gesetz über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz (HBKG) in § 52 Ausschluß der Heranziehung für militärische und polizeiliche Aufgaben folgende Aussage: „Feuerwehren sowie Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes dürfen militärischen Dienststellen oder Polizeidienststellen nicht zugeteilt oder unterstellt werden. Die Heranziehung zur Bekämpfung von politischen Unruhen und Arbeitskämpfen, zur Bekämpfung von Straftaten oder zu sonstigen Aufgaben, die von den Polizeibehörden oder den Gefahrenabwehrbehörden zu erfüllen sind, ist nicht zulässig.“

6. Eine zu enge Verzahnung von polizeilicher und nichtpolizeilicher Gefahrenabwehr wirft verfassungsrechtliche Bedenken auf.

Die Katastrophenschutzgesetze der Länder sehen Regelungen vor, nach denen die Katastrophenschutzbehörden im Katastrophenfall allen für den Einsatzbereich zuständigen unteren Landesbehörden sowie den Hilfe leistenden Kräften des Bundes oder anderer Länder für die Dauer der Hilfeleistung Weisungen erteilen können. Bei einer direkten Einflussnahme der Polizei könnte die Akzeptanz dieser Regelung gefährdet werden, denn einigen Sanitätsorganisationen ist es zum Teil aufgrund ihrer Satzung unmöglich, sich der Exekutive des Staates zu unterwerfen. Konsequenter Weise wird in den Katastrophenschutzgesetzen der Länder i.d.R. ausdrücklich ausgeführt, dass die Polizei eigene Aufgaben nach dem jeweiligen Polizeigesetz wahrnimmt. Sie leistet den Katastrophenschutzbehörden lediglich Vollzugs- und Amtshilfe.

Nahezu alle Länder haben in ihren Brandschutzgesetzen Regelungen getroffen, nach denen Bürger zum Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr verpflichtet werden können. Die Realisierung dieser „Bürgerpflicht“ in einer Polizeibehörde ist verfassungsrechtlich bedenklich und politisch nicht zu kommunizieren.

Bei einer Unterstellung der Integrierten Leitstellen für Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz unter die Aufsicht der Polizei kommt es zwangsläufig zu datenschutzrechtlichen Komplikationen, da die Strafverfolgungspflicht der Polizei mit der Vertraulichkeit im Rettungsdienst und der Verschwiegenheitspflicht der Ärztinnen und Ärzte kollidiert. Bei Katastrophenlagen, welche die Grenzen eines Landkreises bzw. einer kreisfreien Stadt überschreiten, wird ferner die verfassungsrechtlich bedenkliche und politisch inakzeptable Situation auftreten, dass der Polizeipräsident (als Mittelbehörde) den Landräten und Oberbürgermeistern als Hauptverwaltungsbeamten gegenüber weisungsbefugt wird.“

VNY5

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