Die zehn Thesen des DStGB zur rechtlichen Fortentwicklung der Bürgerbeteiligung

Gründe
Bürgerschaftliches Engagement und Bürgerbeteiligung sind für die Kommunen nicht neu. Die Herausforderungen in den  Kommunen können nur gemeinsam mit den Bürgern bewältigt werden. Eine Stadtentwicklung, die an den Menschen vorbeiplant und deren Meinungen und deren Wissen nicht einbezieht (Bsp.: Stadtumbau), funktioniert nicht. Grundvoraussetzung für ein breites Bürgerengagement und eine Bürgerbeteiligung ist, dass die Kommunen einen (finanziellen) Gestaltungsspielraum haben und nicht auf ihre Pflichtaufgaben reduziert werden.

2. These:
Eine verstärkt partizipative Bürgerbeteiligung in Planungsverfahren muss die repräsentative Demokratie, die sich auf der Grundlage des Grundgesetzes in über 60 Jahren bewährt hat, stärken und durch eine frühe, umfassende sowie nachhaltige Partizipation der Bürger mit Leben erfüllen.

Gründe
Die repräsentative Demokratie über die vor Ort gewählten und demokratisch legitimierten Vertreter muss  durch verstärkte Partizipation und durch eine frühe und umfassende Beteiligungskultur weiter entwickelt und mit Leben erfüllt werden. Dies erfordert die Annahme dieser „neuen Rolle“ in Politik und Verwaltung. Eine Systematisierung durch Leitlinien etc. kann empfehlenswert sein. Die eigenständige und abschließende Entscheidung unter Abwägung aller privaten und öffentlichen Belange muss aber rechtlich wie tatsächlich der jeweilige Planungsträger treffen.  

3. These:
Die BauGB-Normen  mit einer zweistufigen und frühzeitigen Bürgerbeteiligung sind grundsätzlich ausreichend. Vorgaben, wie die frühzeitige Beteiligung gestaltet werden sollte, führen zu Einengungen und sind nicht erforderlich. Eine – auch gesetzliche - Stärkung der Mediationsverfahren oder die Einbindung eines Projektmanagers kann die Interessen aller Beteiligten verbessern, zeitintensive Gerichtsverfahren vermeiden und damit Kosten senken helfen.

Gründe
Das BauGB ist Vorreiter einer modernen zweistufigen und frühen Bürgerbeteiligung. Zwar kann die Gemeinde schon heute Dritte mit der Durchführung beauftragen (§ 4b BauGB). Dennoch sollte die  Mediation rechtlich und tatsächlich mit dem Ziel, die Interessen aller Parteien besser zu wahren und kostenintensive Gerichtsverfahren zu vermeiden, gestärkt werden. Ergänzend kann nach dem Vorbild von § 29 NABEG auch ein Projektmanager, der auf Antrag und  Kosten des Vorhabenträgers tätig wird, dienen. Die Art der Gestaltung der Bürgerbeteiligung muss frei sein.

4. These:
Die aktuelle Form der Planfeststellungsverfahren im VwVfG ist so auszugestalten, dass der (öffentliche) Vorhabenträger entsprechend § 3 Abs. 1 BauGB verpflichtet wird, noch vor der eigentlichen Planfeststellung die Öffentlichkeit und die betroffenen Gemeinden transparent über die beabsichtigte Planung sowie mögliche Alternativen zu informieren.

Gründe
Planfeststellungsverfahren für Großvorhaben (Energiewirtschaftstrassen, Flughäfen etc.) bedingen eine frühzeitige Bürgerbeteiligung in einem Stadium, wo noch Alternativen und ggf. i. S. eines „Ob“ ein Absehen von der Planung (Nullvariante) möglich ist. Das VwVfG ist so zu ändern, dass der (öffentliche) Fachplanungsträger verpflichtet wird, frühzeitig und ergebnisoffen vor der Planfeststellung den Plan und mögliche Alternativen transparent mit den Bürgern und den betroffenen Gemeinden zu erörtern. Dies vermeidet Fehlplanungen und unnötige Kosten.

5. These:
Angesichts der erheblichen Kosten umfassender und insbesondere früher Bürgerbeteiligungen empfehlen sich eine klare Regelung zur Finanzierung und Übertragbarkeit dieser Kosten  sowie Ausgleichszahlungen für die Betroffenen.

Gründe
Umfassende Bürgerbeteiligungen bedingen qualifiziertes Personal und ausreichende Finanzmittel in den Verwaltungen. Gerade für frühzeitige Grundlagenbeteiligungen ist eine klare Regelung für die Zuordnung der entstehenden Kosten nötig. Auch sollten Ausgleichszahlungen bei großen Infrastrukturprojekten durch die Vorhabenträger zugunsten der unmittelbar betroffenen Kommunen und der Bürger erfolgen. Kommunen und Bürgern ist nicht zu vermitteln, warum sie etwa ihre Landschaft durch Stromtrassen etc. beeinträchtigen sollen, ihnen aber das Geld für den Kita-Ausbau fehlt.

6. These:
Die Bürgerbeteiligung muss anschaulich, transparent und unmittelbar (Zusammenfassende Erklärung etc.) sowohl auf der Planungs- als auch der Zulassungsebene gestaltet werden.

Gründe
Eine transparente und anschauliche Darstellung der geplanten Projekte durch „zusammenfassende Erklärungen“, verbunden mit dem Vorziehen des Baugenehmigungszeitpunktes („Virtueller Bagger“), muss auf der Planungs- und der Zulassungsebene erfolgen. Hierzu gehört eine unmittelbare Unterrichtung der Betroffenen. Möglichkeiten zur Erörterung im Internet, Zukunftswerkstätten, Modellpräsentationen und qua Facebook etc. können  zur Verbesserung der Planung beitragen und sollten genutzt werden. Die konkrete Durchführung hängt von der Zielgruppe, dem Aufwand und der Aufgabe ab. Die elektronische (Schrift-) Kommunikation sollte mit Präsenzbeteiligungen (Kommunikationsmix) kombiniert werden.

7. These:
Insbesondere bei Großvorhaben müssen mit dem Ziel der Stärkung von Allgemeinwohlbelangen vermehrt die „leisen Bürger“, die sich nicht nur wegen der unmittelbaren Betroffenheit und damit häufig nachteilig zu einem Projekt äußern, eingebunden werden.

Gründe
Die eigene Betroffenheit und die Angst vor Verschlechterungen des unmittelbaren Lebensumfelds sind nicht selten maßgebliche Gründe für Proteste gegen Großprojekte. Durch eine Aktivierung der „stillen Bürger“ können verstärkt Allgemeinwohlbelange in Planungsprozesse eingebracht werden. Hier sind Bürgergutachten als ein Votum für die Verwaltung und die Politik oder die Auswahl der Bürger nach dem Zufallsprinzip ein gangbarer Weg. Insofern bieten sich gerade Beteiligungsverfahren, in dem ein Planungsteam unter Einbeziehung von Bürgern, Vertretern wichtiger gesellschaftlicher Gruppen, Vereinen, Entscheidungsträgern sowie Fachexperten gemeinsam nach der besten Lösung suchen, an.

8. These:
Eine materielle Entschlackung des geltenden Rechts kann Planungsprozesse beschleunigen.

Gründe
Eine Entschlackung des materiellen Rechts und der hier erforderlichen Anforderungen bzw. der Umsetzung (Bsp.: Prüfung von Artenschutz und geforderte Gutachten) kann zur Beschleunigung des Planungsprozesses beitragen. Dies bedingt u. a., dass EU-Vorgaben, speziell im Umweltbereich, nicht über das EU-Recht hinaus in das nationale Recht umgesetzt werden.

9. These:
Planungsprozesse, insbesondere für Großprojekte, könnten durch eine Stärkung der informellen Verfahren sowie durch Verfallsdaten beschleunigt werden.

Gründe
Planungsprozesse bei Großprojekten von 15 Jahren, wie bei Stuttgart 21, sind nicht akzeptabel. Sie stellen die Projekte in ihren Grundlagen in Frage. Bei Stärkung der informellen Beteiligungsverfahren (Abschichtung) könnten die formellen Planungsverfahren mit dem Ziel der Verkürzung beschleunigt werden. Für Großprojekte, bei denen die Unanfechtbarkeit des Plans besteht, könnten zudem angemessene Verfallszeiträume für die Umsetzung des Plans durch den Projektträger zur Beschleunigung führen.  

10. These:
Die Anforderungen der Gerichte an die Planungsträger und die gerade von den Kommunen vorzunehmende Gesamtabwägung der verschiedenen öffentlichen und privaten Belange sollten bei aller Anerkennung der richterlichen Unabhängigkeit nicht überzogen werden.

Gründe
Die Gerichte sollten keine überhöhten Anforderungen an die Planungsträger und insbesondere an die Kommune mit ihrer umfassenden Aufgabe der gerechten Abwägung aller öffentlichen und privaten Belange stellen.

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