Es tut sich was im Online-Wahlkampf

Martin Fuchs, referiert und bloggt. Seit 2011 ist er Hamburger und gründete an der Elbe „Bürger & Freunde“ (www.buerger-freunde.de). Er berät öffentliche Institutionen und die Politik bei der Nutzung sozialer Medien für Bürgerdialog und Verwaltungsmodernisierung. Zuvor arbeitete er mehrere Jahre als Politik- und Unternehmensberater in Berlin und Brüssel. Martin Fuchs ist seit 2008 Lehrbeauftragter für Public Affairs an der Universität Passau und Dozent für Social Media an weiteren Universitäten. Zudem ist er Gründer von Pluragraph.de, der Plattform für Social-Media-Benchmarking und Social-Media-Analyse im nicht-kommerziellen Bereich und bloggt über Social Media in der Politik unter www.hamburger-wahlbeobachter.de.

Welche Bedeutung hat der Onlinewahlkampf bei der Bundestagswahl 2013?

Eigentlich gibt es ja gar keine Unterscheidung mehr zwischen On- und Offlinewahlkampf. Im besten Fall sollten analoge und digitale Elemente eng miteinander verknüpft sein. In Deutschland sind weit über 80% der Menschen online, über 70% nutzen Social Media und 60% der Bundesbürger informieren sich bereits heute über Politik im Internet. Eine gute und aktuelle Webpräsenz, ein gepflegter Wikipediaeintrag, geschicktes Suchmaschinenmarketing und eventuell Social Media gehören heute zur "Grundausstattung" eines Politikers, der wahrgenommen werden möchte. Insbesondere, wenn man bedenkt dass wenige Tage vor der Wahl noch über 60% der Wähler unentschieden sind, wen man seine Stimme gibt. Ein reiner Onlinewahlkampf wäre im Jahr 2013 wohl nicht erfolgreich, aber ohne geht’s auch nicht mehr. 

Wo liegen die wesentlichen Unterschiede zum Online-Bundestagswahlkampf 2009?

2009 war alles was digital lief noch eher eine kleine Spielerei für die Parteien, aktuell hat sich da in den Parteizentralen aber viel bei der Professionalisierung getan. Die CDU hat mit cdu.tv z.B. ein eigenes TV-Studio eingerichtet in dem extra Filme für YouTube und die Social-Media-Kanäle produziert werden. Zudem gibt es nun eine ganze Reihe von Onlineexperten in den Wahlkampfstäben und auch das Budget in dem Bereich ist angestiegen. Auf der anderen Seite sind die Nutzerzahlen in den sozialen Medien in den vergangenen vier Jahren geradezu explodiert, über 25 Millionen Deutsche sind bei Facebook angemeldet, dadurch ist eine ganz neue Relevanz für die Nutzung der Kanäle entstanden.

Was ich aber wirklich vermisse sind Innovationen. Bei den Grünen gibt es, wie auch schon 2009, sehr gute Ansätze für die Verbindung von On- und Offline, aber die ganz neue geniale Idee habe ich bisher noch nicht gesehen.

90 % der Bundestagsabgeordneten nutzen mittlerweile soziale Netzwerke. Alles Wahlkampf oder der Beginn einer Entwicklung, die sich verstärken wird?

Ganz klar für einige Politiker waren die Wahlen der Anlass sich mit dem Thema zu beschäftigen und Profile einzurichten, seit Januar gab es einen Anstieg von 4 Prozent bei der Nutzung von Social Media unter den Bundestagsabgeordneten. Die Profile aber nur für die Kampagnenphase zu nutzen ist eher kontraproduktiv, da gerade das große Potential im kontinuierlichen Bürgerdialog zwischen den Wahlen liegt.

Ich denke aber, dass auch nach dem September viele der Abgeordneten die Kanäle weiter nutzen werden, da die meisten Politiker verstanden haben was für tolle Möglichkeiten der Meinungsforschung, der zielgruppengenauen Ansprache und der Nutzung zur Ansprache von Multiplikatoren in den verschiedenen Netzwerken liegen. Ich werde dies dann Ende 2013 nochmal untersuchen.

In den USA werden Zielgruppen über Big Data erfasst und ausgewertet. Diese Entwicklung wird in Deutschland kaum durchsetzbar sein. Werden hierzulande Zielgruppen effizient angesprochen?

Ganz unabhängig von der unterschiedlichen datenschutzrechtlichen Lage, die viele tolle Big Data-Instrumente aus den USA in Deutschland nicht erlauben würde, habe ich das Gefühl das gerade strategische Fragen nach der eigenen Zielgruppe gar nicht beantwortet wurden bevor man in den Wahlkampf gegangen ist. Oftmals weiß der Kandidat gar nicht welche Zielgruppen im Wahlkreis z.B. noch unentschlossen sind und mit welchen Themen er in welche Zielgruppen vordringen kann. Hier bietet Social-Media sehr gute kostengünstige Möglichkeiten für das Monitoring, die bisher nur von wenigen genutzt werden. Aber auch das wird sich ändern.

Facebook und Twitter: was ist wirkungsvoller im Wahlkampf? Werden andere Online-Plattformen in Zukunft aufholen?

Beide genannten Netzwerke haben ganz verschiedene Zielgruppen. Bei Twitter erreicht man hauptsächlich Journalisten, Blogger, Netzgemeinde und weitere Multiplikatoren die Themen treiben können und einen Tweet schnell auch zum (Offline-)Thema machen können. Zudem bietet der Microbloggingdienst wunderbare Reaktionsmöglichkeiten, wenn es darum geht schnell ein aktuelles Statement zu verbreiten. Diskussionen mit dem "normalen Bürger" werden eher auf Facebook geführt.

Hier erreicht man direkt eine größere Reichweite, zudem ermöglicht es die Facebookwerbung Zielgruppen sehr genau anzusprechen. Ob es beide Netzwerke in 10 Jahren noch gibt weiß niemand. Aber ich glaube dass Google allein mit seiner Marktmacht Google+ noch stärker auch in der Politik verankern wird. Insbesondere die Hangout-Funktion (Live-Videokonferenzen mit bis zu 10 Personen) findet aktuell in der Politik viele Anhänger. Ein schönes Tool.

2014 werden in elf Bundesländern Kommunalwahlen abgehalten. Macht Onlinewahlkampf auch dort Sinn?

Auf jeden Fall. Auch wenn viele der Kandidaten und Kommunalpolitiker Ehrenamtler sind sollte trotzdem Zeit und Budget in diese Kanäle investiert werden. Gerade was die Auffindbarkeit angeht und die Möglichkeit parallel zur Lokalpresse seine Themen und Positionen direkt an den Wähler zu bringen gibt es wenige andere Wahlkampfinstrumente die das so effizient können wie Webseite, Wikipedia und Social Media. Allerdings macht das auch nur Sinn wenn auch die Zielgruppe online ist und man als Kandidat selbst Lust auf die neuen Möglichkeiten hat. Kandidaten die Ihre Wähler auf anderen Wegen besser erreichen sollten lieber diese Kanäle nutzen.

Das Interview führte Franz-Reinhard Habbel



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