Netzintegration erneuerbarer Energien: dena-Netzstudie II veröffentlicht

Netzintegration erneuerbarer Energien: dena-Netzstudie II veröffentlicht

Die dena-Netzstudie II wird von einem breiten Projektsteuerungskreis getragen und finanziert. Dazu gehören das Bundeswirtschafts- und das Bundesumweltministerium, Unternehmen und Verbände der Windenergiebranche, Übertragungsnetzbetreiber, Industrieunternehmen und Verbände der Energiewirtschaft. Die Studie wurde von einem Konsortium unter der Leitung des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (ewi) erstellt. Zwei externe Gutachter haben die Ergebnisse als Grundlage für die weitere Netzplanung bestätigt.

Technische Varianten und systematischer Ansatz

Die Studie prüft verschiedene Varianten zur Weiterentwicklung des Stromnetzes in Deutschland. Zum einen wurden die heute verfügbaren und in Entwicklung befindlichen Netztechnologien untersucht, von Freileitungen mit Standardübertragungsfähigkeit über Hochtemperaturleiterseile und Hochspanungsgleichstromübertragung bis zu Erdkabeln. Darüber hinaus wurden weitere systemrelevante Maßnahmen berücksichtigt, zum Beispiel die Erhöhung der Leitungskapazitäten durch Temperaturmonitoring, die Steuerung der Stromnachfrage und der Einsatz von Stromspeichern, insbesondere in Form von Pumpspeicherkraftwerken, Druckluft- und Wasserstoffspeichern. Bei allen Varianten wurde untersucht, wie sich die Maßnahmen im Gesamtsystem auswirken.

Ausbaubedarf für Standard-Freileitungen, Temperaturmonitoring und Hochtemperaturleiterseile

Bei Verwendung etablierter 380-kV-Freileitungstechnik müssen 3 600 km Höchstspannungstrassen bis zum Jahr 2020 neu gebaut werden. Die Kosten für diese Basisvariante betragen einschließlich des Anschlusses der Off-Shore-Windparks insgesamt 9,7 Milliarden Euro.

Neben der Basisvariante mit Standardübertragungsfähigkeit wurden auch Freileitungsmonitoring und Hochtemperaturleiterseile als zwei technische Varianten mit höherer Betriebsmittelbelastbarkeit im Übertragungsnetz berechnet. Beim Freileitungsmonitoring wird die Betriebstemperatur der Leiterseile überwacht, um bei bestimmten Witterungsbedingungen mehr Strom durchzuleiten. Da diese Witterungsbedingungen aber nur zeitlich begrenzt auftreten, lässt sich durch dieses Verfahren der Netzausbau nur sehr geringfügig auf 3.500 km reduzieren. Darüber hinaus müssten weitere 3.100 km der bestehenden Freileitungstrassen im Übertragungsnetz baulich angepasst werden. Die Kosten wären mit insgesamt 9,8 Milliarden etwas höher als in der Basisvariante.

Beim Einsatz von Hochtemperaturleiterseilen ergibt sich ein Netzausbaubedarf von 1.700 km neuer Trassen und eine Umrüstung von 5.700 km bestehender Trassen. Durch die Umrüstung bestehender Leitungen sind höhere Seilkosten, Mastmodifikationen und Provisorien notwendig. Die Investitionskosten wären deshalb mit 17 Milliarden Euro wesentlich höher als bei den anderen beiden untersuchten Varianten.

Netzausbau auf Basis alternativer Übertragungstechnologien

Neue Freileitungen verändern das Landschaftsbild und Anwohner machen sich häufig Sorgen über mögliche Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt. In den betroffenen Regionen müssen sich auch die Kommunen mit der Forderung auseinandersetzen, die Leitungen in die Erde zu verlegen. Die Netzstudie II hat hierfür verschiedene Varianten untersucht. Demnach reduziert der Einsatz von erdverlegten Gleichspannungstrassen den benötigten Netzausbau geringfügig auf 3.400 km, ist aber mit Kosten von 22 bis 29 Milliarden Euro deutlich teurer.

Auswirkungen der Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken

In der dena-Netzstudie II wurde der im Jahr 2008 geltende Ausstieg aus der Kernenergie unterstellt. Kurz vor der finalen Abstimmung der Studie beschloss der Bundestag am 28.10.2010 die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke. Aufgrund einer ergänzenden Untersuchung der Auswirkungen mit einer vereinfachten Methode kommt das Gutachterkonsortium zu dem Ergebnis, dass die Laufzeitverlängerung keine grundlegenden Auswirkungen auf den benötigten Netzausbau hat. Es wird jedoch auf regionale Veränderungen in Umfang und Abfolge des Netzausbaubedarfs aufgrund der verzögerten Veränderungen im Kraftwerkspark hingewiesen. Die Studie unterscheidet zwischen den Auswirkungen auf den Ausbaubedarf im Übertragungsnetz einerseits und auf die Entwicklung erneuerbarer Energien andererseits. Im Hinblick auf den letztgenannten Aspekt wird lediglich auf den Vorrang der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen gemäß EEG verwiesen.

Ausblick und Empfehlungen

Die Realisierung von Netzinfrastrukturmaßnahmen dauert in Deutschland bis zu zehn Jahre. Dadurch kommt es zunehmend zu einem Ungleichgewicht zwischen der Kapazität der erneuerbaren Energien und der dafür notwendigen Netzinfrastruktur. Deshalb sollen die in der dena-Netzstudie II dargestellten Szenarien durch einen Maßnahmenkatalog ergänzt werden, um eine schnelle Realisierung zu ermöglichen. Aus der dena-Netzstudie II ergeben sich dafür folgende Empfehlungen:

-    gründliche Prüfung und Planung konkreter bzw. trassenscharfer Netzausbaumaßnahmen,
-     Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und Verbesserung des rechtlichen Rahmens,
-     Maßnahmen zur Erhöhung der Akzeptanz für den erforderlichen Netzausbau,
-     Prüfung alternativer Übertragungstechnologien im Rahmen zukünftiger Netzplanungen,
-     Durchführung von Pilotprojekten für den Einsatz ausgewählter Technologien.

Anmerkung:

Der methodische Ansatz und die Prämissen der über 600 Seiten umfassenden Studie sind aus den bisher allein veröffentlichten Zusammenfassungen nicht im Einzelnen ersichtlich, so dass insbesondere die ausgewiesenen Kosten der Erdverkabelung nicht nachvollziehbar sind. In einer ersten Stellungnahme mahnt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eine Stromnetzplanung mit strategischer Umweltprüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung an, die durch die dena-Studie nicht ersetzt werden könne. Der BUND nennt die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, neue Kohlekraftwerke und die Ausweitung des internationalen Stromhandels als maßgebliche Mitverursacher des Ausbaubedarfs im Stromnetz.

Mit Blick auf die in der Zusammenfassung der dena-Studie veröffentlichten Prämissen fällt auf, dass der angenommene Rückgang der Stromnachfrage hinter den aktuellen Einsparzielen der Bundesregierung zurückbleibt. Zudem ist die Studie einseitig am Netzausbau orientiert und betrachtet im Hinblick auf Ansätze zur Anpassung der Nachfrage an Lastschwankungen (Demand-Side-Management) nur Potenziale in der Industrie „unter heute bestehenden Marktregeln“; Privathaushalte, Handel, Gewerbe und Dienstleistungen werden ganz ausgenommen. Auch bezüglich Energiespeichertechnologien werden bestehende Marktregeln unterstellt und ein „unwesentlicher Beitrag zur Netzintegration“ ermittelt. Die veröffentlichten Netzausbaukosten beziehen sich dementsprechend auf die Nullvariante beim Speicherausbau, obwohl Szenarien mit 50 bzw. 100% Speicherung in Engpassregionen untersucht wurden.

In Verbindung mit der Förderung konventioneller Quellen durch die Energiepolitik der Bundesregierung, deren Auswirkungen auf den Netzausbaubedarf die Studie nur oberflächlich betrachtet, ergibt sich die Gefahr, dass dem Ausbau erneuerbarer Energiequellen zu hohe volkswirtschaftliche Kosten zugewiesen werden, was ein weiteres Investitionshemmnis zulasten kommunaler Energieerzeuger bedeuten könnte.

Der Ergebnisbericht und weitere Informationen zur dena-Netzstudie II stehen unter www.dena.de/netzstudie zum kostenlosen Download bereit.

(Dr. Simon Burger)

wEkL

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