BGH: Kommunale Zuwendungen für Krankenhäuser nicht zu beanstanden

BGH: Kommunale Zuwendungen für Krankenhäuser nicht zu beanstanden

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in dem Rechtsstreit zwischen dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken und dem Landkreis Calw entschieden, unter welchen Voraussetzungen Zuwendungen eines Landkreises an öffentliche Krankenhäuser nach dem EU-Beihilferecht von der Pflicht zur Anmeldung bei der Europäischen Kommission befreit sind (Urteil vom 24.03.2016, Az.: I ZR 263/14). Danach sind die öffentliche Zuwendungen zum Verlustausgleich grundsätzlich nicht zu beanstanden und von der Notifizierungspflicht freigestellt, sofern objektiv und transparent in einem Betrauungsakt festgelegt wurde, für welche Leistungen Zuschüsse erteilt werden und die Leistungen der Aufrechterhaltung des Betriebs der Krankenhäuser dienen.

Der dem BGH zugrundeliegende Rechtsstreit ist von besonderer kommunaler Relevanz, da die Finanzierung von Defizitausgleichszahlungen für die Erbringung kommunaler Krankenhausleistungen zunehmend auf den Prüfstand mit dem europäischen Beihilferecht gestellt wird.

Hintergrund

In dem Ausgangsverfahren wendet sich der Kläger, der Bundesverband Deutscher Privatkliniken, der mehr als 1.000 private Krankenhäuser vertritt, gegen Zuwendungen des beklagten Landkreises Calw, die den Kreiskrankenhäusern in Calw und Nagold zum Verlustausgleich gewährt wurden. Der Kläger stuft die Zuwendungen als unzulässige staatliche Beihilfen ein, die mangels Anmeldung (Notifizierung) bei der Kommission rechtswidrig seien.

Der Beklagte ist Gesellschafter der Kreiskliniken Calw gGmbH und betreibt diese. Die Kreiskrankenhäuser sind in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen und vom Beklagten am 22.04.2008 und 19.12.2013 mit der Erbringung medizinischer Versorgungsleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut worden. Nachdem der Jahresabschluss der Kreiskliniken Calw für das Jahr 2011 einen Fehlbetrag von mehr als 3 Mio. Euro und derjenige für das Jahr 2012 einen Fehlbetrag von mehr als 6 Mio. Euro ausgewiesen hatten, fasste der Kreistag des Beklagten im Jahr 2012 den Beschluss, die Verluste der Kreiskliniken für die Jahre 2012 bis 2016 auszugleichen. Außerdem gewährte er in den Jahren 2010 bis 2012 den Kreiskliniken Ausfallbürgschaften zur Absicherung von Investitionsdarlehen, ohne hierfür Avalzinsen zu verlangen, und Investitionszuschüsse.

Der Kläger hat den Beklagten vor dem Landgericht Tübingen auf Unterlassung des Verlustausgleichs für die Jahre 2012 bis 2016, der Übernahme von Bürgschaften und der Gewährung von Investitionszuschüssen in Anspruch genommen. Der Beklagte hat eingewandt, die Zuwendungen seien nicht notifizierungspflichtig, weil sie dem Ausgleich von Kosten für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse dienten, mit denen er die Kreiskliniken betraut habe. Das Landgericht bestätigte die Auffassung des Beklagten und wies die Klage ab.

Daraufhin erhob der Kläger Berufung beim OLG Stuttgart. Auch diese blieb erfolglos. Das OLG ließ dabei offen, ob die Zuwendungen an die Kreiskliniken staatliche Beihilfen darstellen. Selbst wenn dies der Fall wäre, verstießen sie nicht gegen das Verbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV, staatliche Beihilfen ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission zu gewähren. Die Zuwendungen seien gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV für die Erbringung von Dienstleistungen im allgemeinen Interesse erforderlich und deshalb nach der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG der Kommission von der Notifizierungspflicht befreit. Der Kläger wandte sich mit seiner Revision nunmehr an den BGH.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat auf die Revision des Klägers die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht, das OLG Stuttgart, zurückverwiesen, soweit sich der Kläger gegen den Ausgleich der Verluste der Kreiskliniken für die Jahre 2012 und 2013 wendet, und im Übrigen die Revision zurückgewiesen.

Er stellt fest, dass die Zuwendungen des Beklagten an die Kreiskliniken von der Notifizierungspflicht freigestellt sind, soweit sie auf der Grundlage des seit dem 01.01.2014 wirksamen Betrauungsakts vom 19.12.2013 gewährt werden. Diese Leistungen des Beklagten dienten der Aufrechterhaltung des Betriebs der defizitär arbeitenden Krankenhäuser Calw und Nagold. Bei deren medizinischen Versorgungsleistungen handele es sich um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Aus der Aufnahme der Krankenhäuser Calw und Nagold in den Krankenhausplan ergebe sich, dass ihr Betrieb zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung notwendig sei. Als Landkreis habe der Beklagte den Betrieb der Kreiskrankenhäuser nach § 3 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 des Landeskrankenhausgesetzes Baden-Württemberg sicherzustellen.

Hingegen führe der Betrauungsakt vom 22.04.2008 nicht zu einer Freistellung von der Pflicht des Beklagten, die Zuwendungen bei der Kommission anzumelden, stellte der BGH weiter fest. Denn der Akt genüge nicht den Transparenzanforderungen, die in der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG der Kommission vorgesehen seien. So seien die Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistungen nur unzureichend ausgewiesen worden. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung könne deshalb nicht angenommen werden, dass der vom Beklagten beschlossene Verlustausgleich bei den Kreiskliniken für die Jahre 2012 und 2013 von der Notifizierungspflicht bei der Kommission befreit sei.  Die materiell-rechtliche Prüfung darüber, ob es sich bei den Zuwendungen des Beklagten um staatliche Beihilfen handele, obliege dem Berufungsgericht.

Die Entscheidung liegt am Bundesgerichtshof noch nicht gedruckt vor.

Bewertung aus kommunaler Sicht

Die BGH-Entscheidung hat aus kommunaler Sicht eine besondere Bedeutung. Nachdem die in der kommunalen Praxis vielerorts notwendige Finanzierung in Form von Defizitausgleichen für die Erbringung kommunaler Krankenhausleistungen zunehmend in Frage gestellt wurde, trifft der BGH nunmehr einige grundlegende Klarstellungen im kommunalen Sinne.

So stellt der BGH unmissverständlich klar, dass kommunale Krankenhäuser mit den medizinischen Versorgungsleistungen einen besonderen Daseinsvorsorgeauftrag wahrnehmen und ihr Betrieb zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung notwendig ist. Defizitausgleichzahlungen sind demnach mit dem EU-Beihilfenrecht vereinbar, wenn sie für zur Aufrechterhaltung des Betriebs der defizitär arbeitenden Krankenhäuser erforderlich sind, um die Grundversorgung der Bürger zu gewährleisten. Voraussetzung ist und bleibt jedoch ein Betrauungsakt, der die erforderliche Transparenz für die Parameter der Ausgleichszahlungen aufweist, aus denen klar hervorgeht, für welche Leistungen Zuschüsse erteilt werden.

Das Ergebnis ist aus kommunaler Sicht ausdrücklich zu begrüßen. In der Praxis sind viele Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft zwingend auf zusätzliche staatliche Finanzierungsleistungen angewiesen. Der Sicherstellungsauftrag für die stationäre (Krankenhaus-) Versorgung ist gesetzlich den Bundesländern zugewiesen. Die sozialstaatliche Verpflichtung zur Daseinsvorsorge verbietet es, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung ausschließlich dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen. Ein kommunales Engagement im Gesundheitswesen hat gerade auch dort seine Berechtigung, wo die Aufgabenerfüllung kontinuierlich gewährleistet sein muss. So sind die Kommunen in der Regel verpflichtet, die nach dem Krankenhausplan der Länder notwendigen Krankenhäuser und Krankenhauseinrichtungen zu betreiben, wenn die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern nicht durch andere Träger sichergestellt wird. Eine ortsnahe und hochwertige Notfallversorgung der Bürger rund um die Uhr muss folglich auch dort gewährleistet sein, wo ein rein ökonomisch denkender Anbieter sie nicht vorhalten würde. Dies gilt insbesondere für Standorte im ländlichen Raum. Dagegen trifft private Krankhäuser grundsätzlich keine vergleichbare Verpflichtung zum Betrieb bzw. zum Fortbetrieb. Ihnen stehen vielmehr jederzeit die Möglichkeiten der (auch grundlegenden) Umstrukturierung und Neuausrichtung auf andere Tätigkeitsbereiche sowie des Marktaustritts zu. Der Staat muss auch künftig die Möglichkeit erhalten, in die Planung korrigierend eingreifen zu können, weil die Daseinsvorsorge die Sicherstellung einer ausreichenden, bedarfsgerechten und flächendeckenden Versorgung beinhaltet. Sofern notwendige Verlustausgleiche als nicht mehr mit dem Beihilfenrecht vereinbar angesehen und einem Notifizierungsverfahren bei der EU-Kommission unterworfen werden würden, hätte das erhebliche Konsequenzen für die Sicherstellung der Krankenhausversorgung.

Der BGH konkretisiert dabei die Anforderungen an den Betrauungsakt für die Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI), die unter erleichterten Voraussetzungen nach dem sog. Freistellungsbeschlusses als zulässige Beihilfe qualifiziert und von der Notifizierungspflicht freigestellt werden können. Den Schwerpunkt legt der BGH auf die objektive und transparente Darlegung der Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistungen. Insgesamt müssen im Rahmen der Vielzahl an DAWI-Tätigkeiten in Krankenhäusern all dort erbrachte Leistungen einzeln bewertet werden, ob sie nach beihilferechtlichen Kriterien förderungsfähig sind oder nicht. Den Aufgaben müssen auch Kosten und Erträge sowie ein geplanter Ausgleichsbetrag zugeordnet werden können.

(Foto: © 2mmedia - Fotolia.com)

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