Kita-Ausbau: Hände nicht in den Schoß legen

pixelio / Rolf van Mehlis

Das Interview mit dem Rundfunksender ist nachfolgend im Wortlaut wiedergegeben:

WDR 5: Der 1. August rückt näher und damit auch die Möglichkeit für Eltern, einen Betreuungsplatz für ihre unter drei Jahre alten Kinder einzuklagen. Heute wird Familienministerin Schröder Zahlen nennen, ob der Bedarf gedeckt werden kann oder nicht. Wir kennen diese Zahlen schon, die sich auf Angaben der Bundesländer beziehen. Danach ist der Bedarf sogar übererfüllt. Es gibt mehr Plätze als benötigt. Das ist ja nun doch überraschend, angesichts der Unkenrufe der vergangenen Monate. Dr. Gerd Landsberg ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Herr Landsberg, das große Versagen, das alle erwartet haben, ist also nicht eingetreten?

Dr. Landsberg: Guten Morgen Frau Oster. Das ist ganz sicher nicht eingetreten. Es ist ja auch eine typisch deutsche Eigenschaft, dass wir immer alle gerne schwarz malen und es hat natürlich ein enormer Kraftakt - nicht nur der Kommunen, auch von Bund und Ländern – stattgefunden. Sie wissen, dass der Bund noch einmal 580 Millionen Euro bereitgestellt hat für den Ausbau der Kinderbetreuung. Insofern freuen wir uns, wenn es so ist. Ich gehe davon aus, dass es deutlich über 700.000 sein werden. Und was man zusätzlich noch berücksichtigen muss ist, dass wir natürlich sehr viele Plätze haben, die jetzt in der Betriebsgenehmigung sind. Die sind in diesen 700.000 nicht enthalten, so dass wir eigentlich mehr Plätze haben, als wir ehrlich gesagt noch vor einem Jahr erwarten konnten.

WDR 5: Das heißt, Sie rechnen auch nicht damit, dass viele Eltern ab dem 1. August auf einen Betreuungsplatz klagen werden?

Dr. Landsberg: Ich glaube nicht, dass es zu einer Klagewelle kommt. Das heißt nicht, dass die einen oder anderen Eltern wahrscheinlich unzufrieden sind, weil sie natürlich auch keinen Anspruch haben auf den Kitaplatz um die Ecke. Sie müssen unter Umständen auch mit einer Tagesmutter zufrieden sein. Und es ist auch nach wie vor nicht auszuschließen, dass in bestimmten Ballungsräumen, Universitätsstädten es knapp wird. Aber in der Regel wollen Eltern ja Betreuung und keinen Rechtsstreit. Wir werden jetzt versuchen, dort, wo es Probleme gibt, Kompromisse auch mit den Eltern zu schließen.

WDR 5: Wurde da jeder Betreuungsplatz, den man nur finden konnte, zusammengekratzt oder sind das auch wirklich alles Plätze, wo die Kinder von einem Fachpersonal also von geschulten Erziehern betreut werden?

Dr. Landsberg: Also da gibt es ganz klare rechtliche Regelungen. Sie können nicht einfach etwas zusammenkratzen. Sie brauchen die Genehmigung. Dies richtet sich nach dem Landesrecht. Die Zahlen, die die Länder gemeldet haben, sind Plätze, für die eine Betriebsgenehmigung erteilt worden ist. Da gibt es einen klaren Betreuungsschlüssel auch bei den Tagesmüttern und Tagesvätern. Die gibt es ja übrigens auch. Da gibt es klare Voraussetzungen. Auch das kann nicht jeder. Er muss sich qualifizieren. Natürlich ist das nicht so eine Ausbildung wie bei einer ausgebildeten Erzieherin. Insofern sind das reguläre Plätze.

WDR 5: Aber fehlen denn noch Erzieher?

Dr. Landsberg: Ganz sicher. Wir haben mal geschätzt, dass etwa 10.000 – 15.000 Erzieher und Erzieherinnen fehlen. Das liegt ein bisschen daran, dass die Ausbildungskapazitäten, die ja bei den Ländern sind, nicht so ausgebaut worden sind. Denn die Ausbildung dauert je nach Land zwischen vier und fünf Jahren. Deswegen haben wir ja natürlich jetzt im letzten Jahr sehr stark auf die Aktivierung von Tagesmüttern gesetzt. Aber langfristig müssen wir da weiter zulegen. Ich warne auch vor dem Gefühl, dass jetzt am 1. August ja alles prima gelaufen zu sein scheint und das war es dann. Das ist ganz sicher nicht so. Wir werden weiter zunehmend junge Mütter haben, die ihre Kinder sehr früh betreuen lassen wollen, weil der Arbeitsmarkt das verlangt und die Frauen das auch wollen.

WDR 5: Aber diesen Widerspruch müssen Sie uns noch einmal erklären. Auf der einen Seite sagen Sie, es fehlen Erzieher, auf der anderen Seite sind alle Betreuungsplätze nach allen Kriterien erfüllt.

Dr. Landsberg: Wir haben eben sehr viele Tagesmütter und Tagesväter aktiviert. Wir haben auch sehr viele Mitarbeiterinnen bewegen können, von einer halben auf eine ganze Stelle zu gehen. Und wir haben natürlich im Blick, dass wir eine Altersstruktur haben – übrigens nicht nur bei Erzieherinnen, sondern auch im öffentlichen Dienst insgesamt – dass viele in den nächsten Jahren ausscheiden und da brauchen wir den entsprechenden Nachwuchs. Und das wird sehr schwierig werden.

WDR 5: Haben die Tagesmütter es im Endeffekt gerettet?

Dr. Landsberg: Das kann man so sagen. Die Tagesmütter haben es gerettet. Das war übrigens aber von vorneherein auch das Kalkül. Es hat ja immer Tagesmütter gegeben. Man hat auch versucht, den Anreiz etwas günstiger zu gestalten und aus meiner Sicht ist das auch sinnvoll. Es gibt übrigens auch Eltern, die lieber eine Tagesmutter wollen als eine Kita, weil sie glauben, diese etwas kleinräumige Betreuung sei für das Kind besser. Das ist natürlich auch eine Geschmacksfrage.

WDR 5: Ja, die Zahlen, die die Familienministerin Schröder heute nennt, beziehen sich ja auf ganz Deutschland also bundesweit. Wie ist das denn in Nordrhein-Westfalen. Gerade im Westen Deutschlands gab es ja mehr Probleme als in den östlichen Ländern?

Dr. Landsberg: Das ist richtig. Nordrhein-Westfalen war ja immer das Schlusslicht in der Kinderbetreuung. Nordrhein-Westfalen hat etwa 145.000 Plätze gemeldet. Das ist schon eine beispiellose Aufholjagd. Und das ist auch der Maßstab, denn Nordrhein-Westfalen ist das größte Land, dass wir es schaffen werden. Da ist viel Geld geflossen vom Land. Man muss fairerweise das Land auch einmal loben. Auch was die Voraussetzungen der Genehmigungen angeht, ist das Land sehr hilfreich gewesen.

WDR 5: Es ist viel Geld geflossen, sagen Sie. Muss man auch davon ausgehen, dass die Gemeinden jetzt sozusagen alle Kraft, alle Kohle und alle Energie in diesen Kitaausbau gesteckt haben zu Lasten vielleicht von anderen Projekten? 

Dr. Landsberg: Eindeutig ja. Wir haben insgesamt einen Rückgang der kommunalen Investitionen. Das können Sie an Straßen, Wegen, Plätzen, Schulen sehen, aber eben nicht bei der Kinderbetreuung. Wir haben uns darauf sehr konzentriert. Das war auch richtig. Das wird aber langfristig so nicht weitergehen. Die KfW sagt, die Kommunen haben inzwischen einen Rückstand bei Investitionen von 128 Milliarden Euro. Und deswegen werden wir sehr schnell mit der neuen Bundesregierung darüber reden müssen, dass dieser Zustand – nicht nur für die Kommunen – sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger wie auch für die Wirtschaft nicht haltbar ist. 

Die Fragen stellte Andrea Oster

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