Diskussion um den Energiekonsens der Bundesregierung
I. Was sieht der Energiekonsens vor?
• Laufzeitverlängerung: Kernkraftwerke, die bis 1980 gebaut wurden, dürfen acht Jahre länger am Netz bleiben, neuere Reaktoren 14 Jahre. Das ergibt im Mittel eine Laufzeitverlängerung von 12 Jahren.
• Gewinnabschöpfung: Die Bundesregierung sieht in der Verlängerung der Laufzeiten auch die Möglichkeit, die Finanzierung in den Bereichen erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu verstärken. Deshalb soll es eine Abschöpfung der Zusatzgewinne aus der Laufzeitverlängerung geben. Diesbezüglich geht die Bundesregierung von einem Volumen von insgesamt 15 Mrd. € aus. Diese erfolgt zusätzlich zu der bis Ende 2016 befristeten Kernbrennstoffsteuer, die 12,5 Mrd. € einbringen soll. Die Zusatzerlöse sollen bis 2016 durch freiwillige Sonderzahlungen und ab 2017 im Rahmen von vertraglich vereinbarten Gewinnabführungen erfolgen.
II. Finanzielle Auswirkungen auf die Städte und Gemeinden
Die geplante Kernbrennstoffsteuer wird Einnahmeausfälle bei den Städten und Gemeinden zur Folge haben. Nach den Beschlüssen der Spar-Klausur soll die Steuer jährlich 2,3 Mrd. € einbringen. Da diese bei den Unternehmen eine abzugsfähige Betriebsausgabe darstellt, wird dies Auswirkungen auf die Gewerbesteuereinnahmen haben. Der DStGB rechnet mit Mindereinnahmen von 300 Mio. € pro Jahr. Die Abschöpfung der Zusatzgewinne wird zu weiteren Einnahmeausfällen führen, die allerdings derzeit noch nicht quantifizierbar ist, weil Jahreswirkung und zeitlicher Gesamtrahmen noch nicht bekannt sind. Vor dem Hintergrund der Einnahmeausfälle fordert der DStGB, dass diese kompensiert werden müssen. Außerdem müssen die Städte und Gemeinden in dass neue Energiekonzept eingebunden werden (vgl. auch den Bericht hierzu in der Rubrik Hauptgeschäftsstelle in dieser Ausgabe von DStGB Aktuell).
III. Auswirkungen des Energiekonsenses auf den Wettbewerb
1. Einschätzung von BMWi und BMU
Im Entwurf von Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und Bundesumweltministerium (BMU) für ein Energiekonzept vom 7. September 2020 wird davon ausgegangen, dass die Laufzeitverlängerung keine nachteiligen Wirkungen auf den Wettbewerb im Energiesektor zur Folge haben wird. Die neue Kernbrennstoffsteuer und weitere Zahlungen der Kernkraftwerksbetreiber würden den überwiegenden Teil der Zusatzgewinne abschöpfen und damit einer wirtschaftlichen Besserstellung der KKW-Betreiber durch die Laufzeitverlängerung vorbeugen. Gleichwohl werde das BMWi regelmäßig zur Entwicklung des Wettbewerbs im Energiesektor unter besonderer Berücksichtigung der Laufzeitverlängerung berichten und gegebenenfalls geeignete Maßnahmen vorschlagen. Davon unabhängig bleibe die weitere Stärkung des Wettbewerbs ein vorrangiges Ziel der Bundesregierung.
2. Einschätzung des DStGB
Der DStGB fordert vor dem Hintergrund des Energiekonsenses, dass eine Laufzeitverlängerung die von den Kommunen und ihren Stadtwerken auf den Weg gebrachten Investitionen für den Ausbau der erneuerbaren Energie nicht gefährden darf. Planung und Ausbau von Energieerzeugungsanlagen sind keine kurzfristigen Entscheidungen, sondern langfristige Prozesse. Die Stadtwerke haben sich darauf eingestellt, dass in wenigen Jahren die Atomkraftwerke vom Netz gehen und dann die Nachfrage nach ihrer Stromerzeugung steigt. Eine Änderung der politischen Vorgaben muss einen Ausgleich vorgesehen, damit die Stadtwerke keinen Wettbewerbsnachteil erleiden und der zügige Ausbau regenerativer Energien vorangeht.
3. Stellungnahmen der Stadtwerke
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) kritisiert den Energiekonsens. Der Oberbürgermeister von Hannover, Stephan Weil, der Präsident des VKU’s ist, sieht im Energiekonsens eine Zementierung der Marktmacht der großen Konzerne bei der Energieerzeugung. Die Bundesregierung riskiere mit den Beschlüssen, dass viele der kommunalen Investitionen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und neuer hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen nicht mehr getätigt werden. Nach Berechnungen des VKU’s befinden sich zurzeit kommunale Kraftwerksinvestitionen in der Größenordnung von 6,5 Milliarden Euro in Bau, Genehmigung oder Planung. Dazu kommen mittelfristig geplante 5.000 Megawatt mit einem Volumen von weiteren sechs Milliarden Euro. Der Verband geht daher von kommunalen Investitionen und Investitionsvorhaben von rund 12,5 Milliarden Euro aus. Vor diesem Hintergrund fordert der VKU von der Bundesregierung, die wettbewerbliche Komponente einer Laufzeitverlängerung nicht außer Acht zu lassen. Außerdem müsse es eine Kompensation auf der Erzeugungsseite geben. Dazu schlägt der VKU vor, dass die alten Kohlekraftwerke der Energiekonzerne vom Netz genommen werden, um diese durch neue und hocheffiziente Kraftwerksanlagen anderer Wettbewerber, wie der Stadtwerke, zu ersetzen.
Albert Filbert, Vorstandsvorsitzender der HSE und im Jahr 2010 Koordinator der 8KU, geht davon aus, dass die städtischen Versorger durch den Kompromiss mit 4,5 Milliarden Euro belastet würden. Den Berechnungen liegt ein Gutachten der Universität Leipzig und des arrhenius Institut für Energie-und Klimapolitik zugrunde. Danach sind Mindereinnahmen von 3,2 Mrd. € bei einer Laufzeitverlängerung von acht Jahren prognostiziert worden; auf der Grundlage dieser Berechnungen geht 8KU nunmehr von 4,5 Mrd. € bei einer Laufzeitverlängerung von 12 Jahren aus.
IV. Entwurf eines Energiekonzepts der Bundesregierung
Die Laufzeitverlängerung ist ein Teilbereich des erwähnten Energiekonzepts der Bundesregierung, das Leitlinien für eine langfristige Gesamtstrategie im Energiebereich (bis 2050) enthalten soll. Insgesamt sieht das Konzept neun Punkte für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung vor. Dies sind im Einzelnen:
• Erneuerbare Energien als eine tragende Säule zukünftiger Energieversorgung
• Schlüsselfrage Energieeffizienz
• Kernenergie und fossile Kraftwerke
• Leistungsfähige Netzinfrastruktur für Strom und Integration erneuerbarer Energien
• Energetische Gebäudesanierung und energieeffizientes Bauen
• Herausforderung Mobilität
• Energieforschung für Innovationen und neue Technologien
• Energieversorgung im europäischen und internationalen Kontext
• Akzeptanz und Transparenz
Besonders hervorzuheben sind die in dem Konzept enthaltenen Ausführungen zur Einrichtung eines Energieeffizienz-Fonds mit einem jährlichen Volumen von 500o Mio. €, von dem auch Kommunen profitieren sollen. Im Einzelnen durch:
• Unterstützung und Entwicklung kommunaler Effizienzmaßnahmen z.B. mit dem
Ziel des Einsatzes von Querschnittstechnologien, wie Straßenbeleuchtung,
Energieeinsatz in Krankenhäusern und Wasserwerken,
• Unterstützung bei der Entwicklung von Modellprojekten,
• Förderung von Information und Bildung in allen relevanten Bereichen der
Kommunen.
Das Energiekonzept ist im Internet unter
http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/entw_energiekonzept_kf.pdf
abrufbar.
(Dr. Simon Burger)