Klimaschutz am Himmel

Innovators Lounge zur Thermografiebefliegung in Wallenhorst

Während man in Deutschland allenthalben auf den Frühling wartet, hoffen die Vertreter der Gemeinde Wallenhorst derzeit auf eine kalte, klare Winternacht. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass das Spezialflugzeug über dem Gemeindegebiet aufsteigen kann und aus rund 1200 Metern Höhe Wärmebilder der Gebäude anfertigt. Als erste Gemeinde in Niedersachsen hat sich Wallenhorst gemeinsam mit der Nachbargemeinde Belm und dem Energieversorger RWE auf den Weg in die Zukunft des Klimaschutzes gemacht. Bürgermeister Otto Steinkamp erhofft sich durch dieses Projekt deutliche Impulse für den Klimaschutz in seiner Gemeinde. Die Thermografiebefliegung soll vor allem für die Wallenhorster Bürgerinnen und Bürger Informationen liefern und sie über den energetischen Zustand ihrer Gebäude aufklären. Diese Informationskampagne kann, das haben Beispiele aus anderen Kommunen gezeigt, den Anstoß für die energetische Sanierung von Wohnhäusern und Gewerbeimmobilien liefern. Insofern stellt die Thermografiebefliegung einen wichtigen Baustein im Klimaschutzkonzept der niedersächsischen Gemeinde dar, das Claudia Broxtermann, Leiterin des Fachbereichs Planen, Bauen, Umwelt, auf der Innovators Lounge vorstellte.

Wie das Konzept der Flug-Thermografie funktioniert und wie Kommunen diesen Baustein in ihr Klimaschutz-Portfolio aufnehmen können erläuterte in Wallenhorst Dr. Britta Lasshof, Projektleiterin bei der RWE Deutschland AG. Für eine Befliegung sind spezielle Wetterbedingungen notwendig: Die Temperatur sollte unter fünf Grad liegen, es muss trocken und windstill sein und es darf kein Schnee liegen. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind kann das Spezialflugzeug seine Schleifen über dem Gemeindegebiet ziehen und die Aufnahmen anfertigen. Je nach Größe des Gemeindegebietes dauert eine Befliegung zwischen einer und drei Nächten und es werden deutlich über 10.000 einzelne Aufnahmen angefertigt. Um aus diesen Aufnahmen auch die notwendigen Rückschlüsse ziehen zu können sind die Kommunen auf die freiwillige Mitarbeit von Bürgerinnen und Bürgern angewiesen. Sie sind gefordert, in der Nacht der Befliegung Temperatur-Messungen auf ihren Dächern vorzunehmen und diese zu protokollieren. Die so ermittelten Daten werden dann in Beziehung zu den Aufnahmen gesetzt. Auf diese Weise können für jedes Gebäude im Gemeindegebiet aussagekräftige Wärmebilder erstellt werden. Die Aufnahmen werden den Bürgerinnen und Bürgern dann unter strikter Berücksichtigung des Datenschutzes zur Verfügung gestellt. Die Aufnahmen der einzelnen Gebäude sind für Nachbarn, Mieter oder andere Einwohner der Kommune nicht sichtbar. Sie werden nur dem Hausbesitzer verfügbar gemacht. Zusätzlich zu den Wärmebildern können die Städte und Gemeinden, die das Projekt durchführen, ihren Einwohnern eine Energieberatung zu möglichen Sanierungsmaßnahmen anbieten. Für die energetische Sanierung der Gebäude stehen dann auch maßgeschneiderte Förderprogramme der KfW zur Verfügung, wie Prof. Dr. Rainer Durth von der KfW Bankengruppe auf der Innovators Lounge in Wallenhorst betonte. 

Wie ein derartiges Projekt in der kommunalen Praxis aussehen kann stellte Dr. Frank Knospe, Leiter des Amtes für Geoinformation der Stadt Essen, den anwesenden Kommunalvertretern vor. In Essen wurde die „Thermografiebefliegung“ im Jahr 2013 durchgeführt. Die dort aufgenommenen rund 24.000 Einzelbilder wurden zunächst zu einem homogenen Thermalbild für das gesamte Stadtgebiet aufbereitet. Zur eindeutigen Zuordnung der Bilder zu den jeweiligen Eigentümerinnen und Eigentümern mussten dann in einem nächsten Schritt die Gebäudeeinheiten zu Grundstückseinheiten zusammengeführt werden. Dieses erfolgte jedoch erst nach der Zustimmung der jeweiligen Eigentümer, um den Datenschutz zu gewährleisten. Ohne Zustimmung wurden die Daten nicht zusammengeführt. Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger in Essen war enorm. Rund 25.000 Hausbesitzer forderten die entsprechenden Aufnahmen bei der Stadt an. Dies erforderte natürlich einen gewissen personellen Aufwand in der Verwaltung, wie Knospe betonte. In Essen habe die Stadt mehrere Mitarbeiter zeitweise für dies Projekt abgestellt, zudem eine Telefon-Hotline und eine Internet-Präsenz eingerichtet. Insgesamt lohne sich dieser Aufwand aber. Auch für die Kommune seien die gewonnenen Erkenntnisse sehr wertvoll, etwa im Hinblick auf die zahlreichen kommunalen Gebäude oder Rückschlüsse auf die Gebäudesubstanz in einzelnen Stadtvierteln. Knospe stellte dar, dass man die Flug-Thermografie zudem genutzt habe, um die Bürgerinnen und Bürger untereinander zu vernetzen. Unter anderem habe die Stadt die in sozialen Medien eine Plattform etabliert, auf der die Gebäudebesitzer gemeinsam Leistungen der kommunalen Handwerker für die energetische Sanierung bestellen und kostengünstiger erhalten können.

Detlef Gerdts von der Stadt Osnabrück räumte mit dem Vorurteil auf, dass Klimaschutz ein Thema sei, dass eine Kommune nur Geld koste. Aus Klimaschutzanalysen resultieren Sanierungsaufträge für die örtlichen Handwirker; in Form von Steuern fließt dann Geld an die Gemeinde zurück.
Während Ruth Drügemöller von der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen in der Diskussionsrunde den Wunsch nach mehr Ordnungsrecht, vergleichbar mit dem Glühbirnenverbot, äußerte, sieht Andreas Witte, Landkreis Osnabrück, das Gelingen der von Energieeinsparungen in der Hand der Bürger: „Statt sie zu bevormunden, müssen wir die Menschen animieren und um sie werben. Energetische Sanierung: Das müssen wir vormachen, da müssen wir beraten.“ 

Der Gedanke, die Bürgerinnen und Bürger über die energetische Sanierung ihrer Gebäude aktiv in den Klimaschutz vor Ort mit einzubeziehen macht nach Ansicht von Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, einen zentralen Aspekt der „Thermografiebefliegung“ deutlich. „Die Bürgerinnen und Bürger leben in ihrer Stadt oder Gemeinde und machen diese aus. Sie prägen ihren Ort durch ihr Engagement. Die Flug-Thermografie kann einen entscheidenden Beitrag zu Transparenz und Information leisten und die Menschen vor Ort zu Engagement motivieren. Das kommt ihnen persönlich über gesparte Energiekosten ebenso zugute wie den Klimaschutzbemühungen vor Ort und in ganz Deutschland“, betonte Habbel auf der „Innovators Lounge“.

bggP

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